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♫ Tristan und Isolde in Bayreuth 2009 – 2012: erst öde, dann Kult

Die Oper “Tristan und Isolde” von Richard Wagner in der Inszenierung von Christoph Marthaler –  Bayreuther Festspiele  2005 bis 2012

 

Bayreuther♫ Tristan und Isolde in Bayreuth 2009 - 2012: erst öde, dann Kult | Kulturmagazin 8ung.info Festspiele 2009 – 4 Jahre nach der Premiere | Sänger, Dirigent, Orchester auf höchstem Niveau

Inszenierung für reine „Ohrenmenschen“

Sekundenschlaf - Tristan und Isolde
Tristan und Isolde: Bayreuther Festspielhaus im Sekundenschlaf

Der Lichtdesigner scheint ein Energiesparer zu sein. Die Bühne schummert die meiste Zeit im Neonröhrenlicht vor sich hin. Selten stehen die Sänger in vollem Scheinwerferlicht. Das ist schlecht für die Augen, aber gut für die Umwelt und den Sekundenschlaf. Es macht sich an den plötzlich hochschreckenden Köpfen quer durch die Reihen bemerkbar.
Ohrenmenschen haben es gut. Sie schließen einfach die Augen und müssen nicht auf die ermüdende Inszenierung von „Tristan und Isolde“ schauen.

Tristan und Isolde – Festspielorchester und Sänger

Dafür genießen sie in vollen Zügen den stimmigen Klang des Bayreuther Festspielorchesters unter der Leitung von Peter Schneider, und die wohlklingenden Stimmen von Robert Dean Smith, Robert Holl, Irene Theorin, Jukka Rasilainen, Ralf Lukas, Michelle Breedt (die auch darstellerisches Talent zeigt), Clemens Bieber und Martin Snell.
Sämtliche Sänger  kümmern sich kaum um ihre Mitstreiter auf der Bühne, sondern singen nach vorn, ihren Zuhörern entgegen. Auch König Marke singt seinen Ärger grollend ins Publikum. Robert Holls klangvoller Bass nimmt den ganzen Zuschauerraum ein. Robert Holl singt nicht nur melodiös und wohlklingend, sondern auch gut artikuliert. Seine Worte sind bis in die neunundzwanzigste Reihe zu verstehen.

Sänger als Darsteller  

Eine weitere Ausnahme bildet Michelle Breedt als Brangäne. Als einzige entwickelt sie darstellerische Fähigkeiten. Sie mahnt zum Aufbruch, zieht Isolde (Irene Theorin) die Handschuhe an, indem sie sich mit dem Rücken vor sie stellt, ihre schlaffe Hand von hinten schnappt und den Handschuh aufzieht. Mit ihr zusammen wird Isolde spielfreudiger. Jedoch harmoniert ihr virtuoser Sopran hervorragend mit Tristans (Robert Dean Smith) voluminöser Tenorstimme.
Während der Schlussszene im 2. Akt, in der sich König Marke über Tristans Untreue beklagt, stehen Brangäne, Isolde, Marke, Tristan, Melot im Raum verteilt herum, ohne ersichtlich miteinander zu agieren. Es sieht fast so aus, als hätten sie keine Lust mehr.

Optisch unergiebig, dafür ein musikalischer Glanzpunkt. (Wenn mir jetzt jemand erzählen will, dass das vom Regisseur  Christoph Marthaler so gewollt war, dann schrei’ ich!)

Tristan und Isolde: Nussbaumfurnier und Faltenrock

Bühnenbild und Kostüme der Oper “Tristan und Isolde” von Richard WagnerBayreuther Festspiele  2005 bis 2011

…wie immer bei Anna Viebrock – trist, trister, Tristesse.

Ein großer Raum, fast ein Saal, vielleicht in einem schottischen Castle. Das Steuerrad deutet eher auf einen gediegenen Luxusdampfer hin. Zwischen braunen Wänden in typischer Nussbaumfurnier-Verkleidung stehen Tische mit Wirtshausstühlen herum, anscheinend nur, um immer wieder von Isolde umgestoßen und von Brangäne aufgehoben zu werden.

Neben den Klappstühlen glucken einzelne Ohrensessel, die aussehen wie schon-öfters-bezogen-und-schon-wieder-fällig-zum-Beziehen. Natürlich mit dem Möbelstoff, wie er vor vierzig Jahren topaktuell war. Kein Wunder, denn die Bühnenbildnerin Anna Viebrock ist in dieser Zeit stehen geblieben. Sie bewegt sich weder vorwärts noch rückwärts.

Das gilt auch für die Kostüme.

Anna Viebrock scheint aus dieser Zeit ein Heft mit Burda-Schnitten zu besitzen, aus dem sie sämtliche Bühnenkleidung fertigt. Im ersten Akt, auf der Schiffsüberfahrt, sind es für Isolde und Brangäne „Kaminkleider“, die damals groß in Mode waren. Normalerweise endeten die Röcke unter dem Knie. Kaminkleider dagegen waren lang, aber nicht so elegant wie Abendkleider, sondern eher aus Wolle oder einem warmen Stoff, in den man sich einkuscheln konnte. Kurvenal hüllt sich in einen Schottenrock, ebenso wie Brangäne. Ihr Rock ist lang, sein Rock dagegen kurz.
Im „Garten“ trägt Isolde (Irene Theorin) ein gelbes Kostüm mit einer großen Schleife unter der Brust – ganz Dame. Brangäne (Michelle Breedt) kleidet eine blaugrüne Jacke und Faltenrock – Zeichen für die gut angezogene Sekretärin. Tristan (Robert Dean Smith) tritt auf in der blauer Jacke seines Yachtclubs, mit passendem Abzeichen an der Brusttasche.

Stereotype Ausstattung – Einheitsinterieur

Während andere Bühnen- und Kostümbildner ihre Fantasie ankurbeln, sich durch Opernstoffe, Musik oder Schauplätze anregen lassen, stülpt Anna Viebrock ihre Schlimmer-Wohnen-Vision über jede Handlung, egal in welchem Jahrhundert, Jahrtausend, Land oder Milieu die Oper spielt. Dieses Einheitsinterieur hat zu allem zu passen.
Ein Beispiel dafür, wie weit es jemand mit sparsamer Fantasie und einfallsarmen Wiederholungen bringen kann.

Tristan und IsoldeBayreuther Festspiele

Musikalische Leitung Peter Schneider
Regie Christoph Marthaler
Szenische Leitung der Wiederaufnahme Anna-Sophie Mahler
Bühnenbild Anna Viebrock
Kostüme Anna Viebrock
Chorleitung Eberhard Friedrich
Dramaturgie Malte Ubenauf

Besetzung 2009
Tristan Robert Dean Smith
Marke Robert Holl
Isolde Irene Theorin
Kurwenal Jukka Rasilainen
Melot Ralf Lukas
Brangäne Michelle Breedt
Junger Seemann Clemens Bieber
Ein Hirt Arnold Bezuyen
Ein Steuermann Martin Snell

Direkt-Übertragung der Oper Tristan und Isolde aus dem Bayreuther Festspielhaus 2010.

♫ Tristan und Isolde in Bayreuth 2009 - 2012: erst öde, dann Kult | Kulturmagazin 8ung.info

In vollen Zügen genießen 30.000 Zuschauer den stimmigen Klang des Festspielorchesters unter der Leitung von Peter Schneider und die wohlklingenden Stimmen von Robert Dean Smith, Robert Holl, Irene Theorin, Jukka Rasilainen, Ralf Lukas, Michelle Breedt, Clemens Bieber und Martin Snell. … siehe ♫ Tristan und Isolde als öffentliche Oper für alle

Tristan und Isolde in Bayreuth 2011 was ist neu?

Was hat sich in dieser Oper in den letzten Jahren geändert? Nix & Nuscht! Das Erfreuliche daran bleibt erhalten. Das hohe musikalische Bayreuth-Niveau der Sänger ist gleich geblieben. Ebenso das Festspielorchester unter der Leitung von Peter Schneider.
Die Interaktion der Sänger untereinander ist gleich geblieben. Siehe-> Tristan und Isolde als öffentliche Oper für alle

Wie zum Beispiel Robert Dean Smith mit voller Stimme und der Beweglichkeit eines Oratoriensängers. Einmal hebt er den rechten Arm, nach langer Pause den linken Arm. Im Liebesduett steht er an der Rampe, ohne auch nur eine Blick auf seine geliebte und entbehrte Isolde (Irene Theorin) zu werfen. Nebeneinander ins Publikum blickend sitzen sie auf den Designerhockern im Garten, den Anna Viehbrock als leeren Raum – bis auf besagte Designerhocker – gestaltet hat.
Kostüme und Bühnenbild sind gleich geblieben. Wahrscheinlich aus der Erkenntnis heraus, dass es hier nichts zu verbessern gibt. Siehe  -> Tristan und Isolde: Nussbaumfurnier und Faltenrock
Eines brachte mich zum Grübeln. Warum stieren alle Sänger und die paar Statisten so ausgiebig die Wände an? Warum schleichen sie tastend an den Mauern entlang? Begutachten sie das Wachstum der Schimmelpilze, die den Zuschauern ab der dritten Reihe verborgen bleiben? Hat es etwa einen tieferen Sinn? Wie die Rüstung aus Filz in Schlingensiefs Parsifal, die an Beuys erinnern soll? Folgen diese Bewegungen den Strukturen des Mauerputzes? Ein typisches Verhalten von Autisten – die Rücken zum Publikum sprechen dafür.
Siehe -> Der Hungerkünstler von Georg Elterlein
Um das herauszufinden, werden Festspielbesucher in den kommenden Jahren noch Gelegenheit haben. Es hat nichts damit zu tun, dass die Inszenierung so gut angenommen wurde und deshalb immer wieder gewünscht wird. Der Grund ist weitaus pragmatischer. In den nächsten Jahren spielen Opern mit großer Chorbesetzung – Tannhäuser, Parsifal, Holländer und 2013 eine Neuinszenierung des Ringes. Die Chorsänger brauchen dazwischen ihre Ruhezeiten – deshalb Tristan und Isolde.
Also …dem hervorragenden Festspielchor zuliebe.


Tristan und Isolde
, Oper mit Musik und Libretto von Richard Wagner
Aufführung der 100. Bayreuther Festspiele 2011

Besetzung 2011:
Tristan – Robert Dean Smith
Marke – Robert Holl
Isolde – Iréne Theorin
Kurwenal – Jukka Rasilainen
Melot – Ralf Lukas
Brangäne – Michelle Breedt
Junger Seemann – Clemens Bieber
Ein Hirt – Arnold Bezuyen
Ein Steuermann – Martin Snell

Tristan und Isolde in Bayreuth 2012 – allerletzte Vorstellung am 26. August

Als gutes Stimmungsbarometer für eine Vorstellung entpuppen sich  Pausengespräche;  das gilt nicht nur die aktiven, sondern auch die passiven – mittels langer Ohren.

Fazit: Diese Inszenierung ist Kult!!!
Gelobt werden die „minimalistische Ausstattung“, „… endlich sind die Sänger gut zu hören“, „… müssen keinen Sport auf der Bühne treiben“, „… mit dieser Ausstattung geht es nur in eine Richtung, nämlich bergab“, „… deutlicher kann nicht gezeigt werden, dass Isolde als Königin ausgebootet ist“ …
Mit anderen Worten: Die Oper Tristan und Isolde mutierte im verflixten 7. Jahr zur Kult-Inszenierung der Intellektuellen.

Auch 2012 ist in dieser Inszenierung alles beim Alten, nämlich ->trist –> trister —>Tristan

Die Beleuchtung ist nach wie vor zu dunkel, wie die einnickenden und aufschreckenden Köpfe rings herum beweisen.
Michelle Breed singt und spielt wieder die lebenspraktische Brangäne. Mit ihrem Spiel bringt sie etwas Leben in die extrem statische Inszenierung. Sie verteidigt ihre Herrin gegen den spottenden Kurneval, sie hört Isolde zu und beruhigt sie. Sie räumt den Salon auf, kleidet Isolde ein, die nach ihrem Liebestrank nur apathisch lächelnd daneben steht.

Langsam begreife ich diese entschleunigte Inszenierung. Tristan und Isolde stehen unter Drogen – sie sind vollgetankt, nicht fähig, etwas füreinander zu empfinden. Also müssen sie sich auch nicht anschauen. Warum bin ich nicht ein paar Jahre früher drauf gekommen?

Ansonsten gilt 2012 gilt das Gleiche wie 2011:

Mein Fazit zur Oper “Tristan und Isolde” von Richard Wagner in der Inszenierung von Christoph Marthaler – Bayreuther Festspiele 2005 bis 2012:

Selten so gelangweilt!

Tristan und Isolde:

  • Public viewing – Oper auf dem Bayreuther Volksfestplatz – Tristan und Isolde – direkt aus dem Festspielhaus auf die Riesenleinwand. Sehr gut organisiert. 30.000 Zuschauer fasst der Bayreuther Volksfestplatz, ohne dass sich jemand vorkommen muss wie eine Sardine in der Büchse. Opern-Sympathisanten besetzen die aufgebauten Stuhlreihen vor der neunzig Quadratmeter großen Riesenleinwand und sehen Tristan […]
  • Direkt-Übertragung der Oper Tristan und Isolde aus dem Bayreuther Festspielhaus. In vollen Zügen genießen 30.000 Zuschauer den stimmigen Klang des Orchesters und die wohlklingenden Stimmen von Robert Dean Smith, Robert Holl, Irene Theorin, Jukka Rasilainen, Ralf Lukas, Michelle Breedt, Clemens Bieber und Martin Snell. ♫ Tristan und Isolde als öffentliche Oper für alle
  • Inszenierung für reine "Ohrenmenschen“. Der Lichtdesigner scheint ein Energiesparer zu sein. Die Bühne schummert die meiste Zeit im Neonröhrenlicht vor sich hin ♫ Tristan und Isolde in Bayreuth 2009 – 2012: erst öde, dann Kult
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