Drei Künstler – Kirill Petrenko, Aleksandar Denić, Frank Castorf – prägen bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen 2013 den neuen „Ring des Nibelungen“, bestehend aus den Opern Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung.
Kirill Petrenkos Dirigat zeichnet sich durch eine sehr genaue und durchdachte Lesart der Partitur aus. Er legt großen Wert auf rhythmische Transparenz, die sich auch auf die Durchhörbarkeit im Klang der Partitur auswirkt. Kirill Petrenko hat eine Leichtigkeit in den Orchesterklang gebracht, die die Handlung in immerwährendem Fluss und Spannung hält. Auch nach der Götterdämmerung bleibt das hervorragende und frenetisch gefeierte Festspielorchester unter Kirill Petrenko lange im Ohr.
Bühnenarchitektur von Aleksandar Denić
Die Oper „Rheingold“ spielt an der Route 66 im „Golden Motel“, das seine besten Jahre schon hinter sich hat. Über dem Motel, das mit der Drehbühne mal den geschwungenen Swimmingpool, die Terrasse oder die Tankstelle anzeigt, hängt eine Leinwand. Dort wird gezeigt, was sich im Inneren des Motels oder auf der Rückseite abspielt. Die Geschichte spielt sowohl drinnen wie draußen. Im Inneren des Motels sind Kameras angebracht. Somit ist den Zuschauern klar, was gleichzeitig passiert.
In der Walküre zeigt das fantastische Bühnenbild von Aleksandar Denić ein hölzernes Fort mit einem Wachtturm – solide Zimmermannsarbeit, innen wie außen – laut Eigenangabe ein Ölbohrturm in Aserbaidschan. Siegfrieds Zuhause ist ein Campingwagen mitten in einer Felsenschlucht mit überdimensionalen Köpfen, geformt wie in Mount Rushmore. Aber nicht die amerikanischen Präsidenten, sondern Marx, Lenin, Stalin und Mao blicken ins Tal. Die Götterdämmerung besteht aus vier Ansichten: verhüllter Reichstag (Christo), der sich später als die New Yorker Börse entpuppt, Hinterhof mit Gemüselager und Kiosk “Döner Box”, “Plaste & Elaste” Fabrikfassade, Industriegebäude mit hohem, metallenen Treppenhaus.
Eines zeichnet sämtliche Bühnenbilder von Aleksandar Denić aus: sie sind sowohl sängerfreundlich (tragende Akkustik) als auch publikumsfreundlich (gut einsehbar).
Regie Frank Castorf
Früher war es üblich, dass sich die Opernbesucher im Opernführer über die Handlung und die Musik informierten. Heute müssen sie sich noch in die Gedankenwelt des Regisseurs hineinversetzen, um überhaupt den Faden zu behalten. Inszeniert Frank Castorf, langt nicht einmal das. Von Vorteil sind auch Kenntnisse über seine eigene Biografie im Besonderen und die Geschichte des Kommunismus im Allgemeinen. Oder anders herum: Frank Castorf inszeniert nicht den Ring – oder Zauberflöte, Aida, Carmen, … – sondern sich selbst und sein großes Thema.
Weil Frank Castorf eine Szene aus einem russischen Propagandafilm – ein Kinderwagen steht auf einer hohen Treppe und setzt sich samt Baby nach unten in Bewegung – dermaßen imponierte, kommt Brünnhilde am Anfang ihres Rachefeldzuges, bei dem laut Richard Wagner keiner überlebt, mit einem Kinderwagen die Treppe heruntergepoltert. Aus diesem Wagen fliegen Steine, oder Kartoffeln, oder deformierte Äpfel der Freia, oder …, auf die Stufen und poltern nach unten.
Weil Stalin 1902(!) als Arbeiter in der Öl-Hochburg Baku gejobbt hat, wird klar, warum die kommunistischen Größen Marx, Lenin, Stalin und Mao statt der amerikanischen Präsidenten in Stein gehauen sind.
Auf solche und ähnliche Gedankenverbindungen muss eine Opernbesucherin kommen – bei fortlaufender Aufführung. Diese Inszenierung eignet sich als Leckerbissen für Umdieeckedenker.
Ring des Nibelungen:
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