Auch nach der Götterdämmerung bleibt das hervorragende und frenetisch gefeierte Festspielorchester unter Kirill Petrenko lange im Ohr. Kirill Petrenko hat sehr genau die originale Wagner-Partitur studiert und versucht, jede Note hörbar zu machen. Das macht sich sogar bei den drei Stierhörnern bemerkbar, die schon Richard Wagner hinter der Bühne einsetzte. Hier nimmt Kirill Petrenko das Festspielorchester zurück, damit das Publikum das Motiv der Kampfhörner deutlich wahrnimmt, wenn die „Mannen“ sich versammeln. Auch Hundings Ankunft in der Walküre wird mit den Stierhörnern angekündigt.
Aleksandar Denić schuf ein großartiges Bühnenbild mit vier Ansichten:
- Verhüllter Reichstag (Christo), der sich später als die New Yorker Börse entpuppt
- Hinterhof mit Gemüselager und Kiosk „Döner Box“
- „Plaste & Elaste“ Fabrikfassade
- Industriegebäude mit hohem, metallenen Treppenhaus
Davor steht die obligatorische alte amerikanische Rolling-Home-Blechbüchse aus Rheingold, Walküre und Siegfried, daneben eine noch ältere, aber gepflegte Isetta. Gekleidet sind die Damen in lange, mit Pailletten besetzten Abendkleidern, oder, wie Brünnhilde, in einem durchgehend goldenen Paillettenkleid. Eines haben sie gemeinsam – sie passen nicht zueinander. Die Kostüme passen nicht zum Bühnenbild; das Bühnenbild passt nicht zur Oper; die Inszenierung passt nicht zur Opernhandlung; die gespielte Handlung passt nicht zur Musik.
Zur Erinnerung: Inhalt / Handlung: Götterdämmerung – Oper von Richard Wagner
Alles beliebig? Alle(s) bis auf einen – Hagen!
Perfekt verkörpert Attila Yun mit seiner schwarzen Stimme, dem grimmigen Blick und dem massigen Auftreten den Bösewicht. Wie ein Krieger wirkt er im schwarzen Mantel, schwarzen Unterhemd, gehalten von schwarzen Lederhosenträgern, die hohen Stiefel über den Reithosen. Aggressiv und bedrohlich wirkt der aufgestellte Irokesenschnitt auf der kahlgeschorenen Glatze. Hagen ist in dieser Götterdämmerung die unangefochtene Hauptfigur bis zum Schluss. Neben den Rheintöchtern – Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau – ist er der einzige Überlebende, der noch unten im Hinterhof Richtung Feuerstelle schleicht. Währenddessen liegt er oben auf der Leinwand in einem Schlauchboot, das er mit seiner massigen Figur vollkommen ausfüllt. Zum Abschied winkend hebt er noch einmal die Hand, während die Rheintöchter das Boot aufs Wasser (Röhrensee?) hinaus schubsen.
Aber auch die Brünnhilde – Catherine Foster – ist nicht so ohne! Brünnhilde ist genau der Typ Kriegerin, wie ihn sich Wagner vielleicht vorgestellt hat. Wenn sie als betrogene Ehefrau die Treppe herunterwalzt, stellt sich ihr keiner in den Weg. Wenn sie nach dem etwas unglücklich verlaufenden Gespräch mit ihrer Schwester Waltraute – Claudia Mahnke – den Wohnwagen halb auseinander nimmt und selbst noch die Einrichtungsgegenstände in die Ecken pfettert, kommt der cholerische Göttervater durch. Wenn sie Gutrune – Allison Oakes – gegenübersteht, die ihre Ehe mit Siegfried verteidigen möchte, bleibt Gutrune nur noch die Flucht in die Menschenmenge.
Gunther – Alejandro Marco-Buhrmester – bringt mit seiner Ausstrahlung etwas Eleganz in diese heruntergekommenen Umgebung. Für den lauten Siegfried – Lance Ryan – hätte die heutige Zeit ein passendes Utensil. Er könnte fortwährend am Handy herumspielen und damit seine Langeweile bekunden. Eine fortlaufende Geschichte, die an die Götterdämmerung erinnert, ist zwar zu erkennen, wird aber ständig durch irgendwelche nebensächlichen Szenen gestört. Das mag zwar für wiederkehrend Besucher ganz lustig sein, für Erstbesucher störend.
Inhalt / Handlung: Götterdämmerung – Oper von Richard Wagner
Götterdämmerung in der Oper Stuttgart – Pläsier mal vier
Bayreuther Festspiele 2013: Götterdämmerung – böser Hagen, guter Hagen
Nicht die Musik oder der Operninhalt wird in dieser Inszenierung von Frank Castorf wiedergegeben, in der die Beliebigkeit bestimmter Bühnenbilder hochkommt. Alles wird in irgendein Konzept gepresst, das dieser oder einer anderen Oper aufgestülpt wird. Diese Ausstattung könnte genau so für Falstaff oder La Boheme übernommen werden, das wäre genau so unpassend.
Beliebigkeit – ist das der neue Trend?
Bayreuther Festspiele 2013
3. Abend im Ring des Nibelungen: Götterdämmerung – Oper von Richard Wagner
Besetzung 2013
Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
Regie: Frank Castorf
Bühnenbild: Aleksandar Denić
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Licht: Rainer Casper
Video: Andreas Deinert
Jens Crull
Chorleitung: Eberhard Friedrich
Siegfried: Lance Ryan
Gunther: Alejandro Marco-Buhrmester
Alberich: Martin Winkler
Hagen: Attila Jun
Brünnhilde: Catherine Foster
Gutrune: Allison Oakes
Waltraute: Claudia Mahnke
1. Norn: Okka von der Damerau
2. Norn: Claudia Mahnke
3. Norn: Christiane Kohl
Woglinde: Mirella Hagen
Wellgunde: Julia Rutigliano
Floßhilde: Okka von der Damerau
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