Ernst Lubitschs Komödie handelt von einer lebensgroßen Aufziehpuppe, die sogar sprechen und tanzen kann. Wegen eines Unfalls muss sie durch ihr lebendiges Modell ersetzt werden.
Der einstündige Film „Die Puppe“ von Ernst Lubitsch ist 1919 entstanden, also vor fast 100 Jahren. Karl Koch komponierte die Filmmusik, die er mit seinem Struggle-Orchester am 9. November 2015 im Fruchtkasten in Stuttgart aufführt, zusammen mit dem Trickfilm „Cinderella“ von Lotte Reiniger. Die Einstimmungsmusik zu diesem Film erinnert an Berliner Gassenhauer.
Verwicklungen verleihen dieser Salon-Komödie von Ernst Lubitsch den besonderen Charme.
Ein Baron fürchtet, dass sein Geschlecht ausstirbt. Also muss sein Neffe heiraten. Per Dekret wird eine Jungfrau gesucht. Es melden sich gleich 40. Der Neffe will aber nicht heiraten, denn dieses Muttersöhnchen hat einfach Angst vor Frauen. Er läuft vor ihnen weg und landet in einem Männerkloster, dessen Mönche sich dem Hunger verschrieben haben, aber umso mehr prassen. Derweil setzt der Onkel eine Anzeige in die Zeitung, dass sein Neffe 300.000 Franc Mitgift bekommt, sofern er heiratet. Das Lesen auch die Mönche, die den jungen Mann zu ihrem Wohlergehen und zu seinem Glück überreden. Ganz einfach: Er soll eine lebensechte Puppe heiraten und ihnen die Mitgift geben.
Zusammen mit einem kecken Lehrling betreibt der Spielzeugmacher sein Geschäft. Sein Wunderwerk von Puppe kann sogar sprechen und tanzen – wenn sie aufgezogen ist. Ganz nach dem Vorbild seiner Tochter Ossi, die keine große Lust hat, Modell zu stehen.
Während der Meister dem jungen Adligen die Puppe schmackhaft macht, spielen draußen die Musiker auf – so wie drinnen das Struggle-Orchester – und die Leute auf der Straße tanzen. Genau das macht der Lehrling auch mit der Puppe, die aber hinfällt und die Arme abbricht. Ossi erklärt sich bereit, so lange vor dem Kunden die Puppe zu spielen, bis der Lehrling die Arme angeklebt hat. Dem Hochzeitsanwärter gefällt die lebende Puppe – Ossi! – so gut, dass er sie kauft und sofort mitnehmen will. Für einen Austausch bleibt also keine Zeit.
Im Schloss wird die Hochzeit gefeiert. Der glückliche Bräutigam ist vollkommen zufrieden, weil seine Braut still neben ihm sitzt. Als er sie kurz allein lässt, wird sie zum Tanz aufgefordert. Sie macht es bravourös, zur Begeisterung der Hochzeitsgäste – und zu ihrer eigenen Begeisterung.
Danach geht es ab ins Kloster, wo die Mönche sie nicht hinein lassen wollen. Da sie aber nur eine Puppe ist, wird sie in die Ecke gestellt, wo sie sofort zu tanzen anfängt. Ein dutzend Mönche tanzen begeistert mit, bis der Prior die Mönche wegschickt und selbst ’ne flotte Sohle aufs Parkett legt.
In seiner Zelle merkt endlich auch der junge Mann, dass er eine Frau aus Fleisch und Blut geheiratet hat. Und es tut nicht weh – im Gegenteil. Die Flitterwöchner fliehen über die Klostermauer.
Soweit das Gerippe des Inhalts.
Unverkennbarer Lubitsch Touch
Was den Film mit seinem allerdings ausmacht, sind die einzelnen Szenen voller Leichtigkeit.
40 Jungfrauen rennen hinter dem armen Mann her durch die Kulisse, bestehend aus zwei Treppen und einer Haus-Attrappe. Sie rennen die Treppe hoch, durch das Haus hindurch, in einer Acht auf die andere Treppe zu, hinunter und über den Platz. Wenn die Spitze mit dem Hochzeiter auf einer Stelle angekommen ist, ist das Ende der Schlange gerade durch. Das Schlusslicht bilden der Onkel und dessen Diener, der ihm nach jedem Durchlauf einen Löffel Medizin verabreicht. Mindestens fünfmal erfolgt die Prozedur. Die Musik rennt in diesem Film antreibend mit. Sie lässt die Beine trippeln, die Jungfrauen jauchzen und Onkel und Diener japsen. Am Ende angekommen, macht sie mit den abgeschlafften Herren eine Pause, lässt sie geräuschvoll die Medizin schlucken, und schon beginnt die Jagd fröhlich von vorn.
Der Baron liegt im Sterben, denn die Weigerung seines Neffen, nicht zu heiraten, haut ihn um. Die Verwandten kommen an seinem Bett zusammen und liegen sich schnell in den Haaren, weil sie sich schon um den Nachlass streiten. Dabei wird das Orchester – als Abbild der trauernden/lauernden Verwandtschaft – lauter und lauter. Das Durcheinander der Verwandtschaft wird durch eine Kakophonie gekrönt. Jedes Instrument spielt seine eigene Melodie, bis der Sterbende wieder zum Leben erwacht. Sein fröhlicher Hüpfer aus dem Bett wird mit einem aufbauenden Ständchen begleitet.
Nach Slapstick-Manier liefern sich Meister und Lehrling eine Verfolgungsjagd. Um den Meister fernzuhalten, schmeißt der Lehrling einzelne Teller eines ganzen Stapels vor dessen Füße, haargenau im Schlagzeugrhythmus – das scheppert
Die Musik von Karl Koch unterstreicht lachen und weinen, macht Gedanken und Taten hörbar. Wenn Ossi bockt, kommt die Tröte zum Einsatz.
Instrumentenmuseum Fruchtkasten in Stuttgart, 09.11.2015
Stummfilme mit Livemusik von Karl Koch und dem Struggle Orchester
Karl Koch: Komposition und Schlagzeug
Christof Schmidt: Posaune
Barbara Klobe: Klavier
Lothar Sonntag: Stabspiele
Tobias Ringle: Tuba
Benjamin Engel: Klarinette, Saxophon, Flöte
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