Wer bis jetzt weder im Novemberblues noch in Herbstdepressionen schwelgt, sollte sich unbedingt „Altes Land“ im ZDF anschauen.
Drei Frauen, drei Generationen. Nach dem Bestseller von Dörte Hansen zeigt das ZDF mit einem hochkarätigen Ensemble den Zweiteiler „Altes Land“, Inhalt siehe Altes Land – quicklebendig
Sonntag, 15. und Montag, 16. November 2020, jeweils 20.15 Uhr, und bis zum 31.11.2021 in der ZDF-Mediathek.
Altes Land – so deprimierend kann ein Leben verlaufen.
Bis ins hohe Alter geht Vera ihren eigenwilligen Weg weiter, auch wenn es die Nachbarn ärgert. Der Film zeigt genüsslich genau die Szenen, die sie zu einer verhärmten alten Frau werden lassen. Angefangen von ihrer Flucht bis zum körperlichen und geistigen Verfall ihres Stiefvaters – Rückblenden, die von denen verstanden werden, die den Inhalt kennen. Für Freude oder gar so etwas wie Glück hält der Film weniger als eine Minute bereit. Vera und ihr Vater sitzen nach der Konfirmation am Küchentisch. Sie packen erwartungsvoll ein Tortenpäckchen aus einer Konditorei aus dem Papier. Heraus kommen zwei Stück Sahnetorte auf einem Papptablett. Glücklich lächelnd sitzen sie sich gegenüber, jeder mit einer Kuchengabel in der Hand. Während des genussvollen Essens strahlen sie sich an – beseelt und zufrieden. Sogleich wird diese Szene ins Negative gezogen, denn sie werden überrascht und sind sich darüber im Klaren, dass ihr aus-der-Verpackung-essen nicht der Norm einer Konfirmationsfeier entspricht.
Altes Land – Sie kamen als Flüchtlinge und blieben.
Viel Raum gibt der Film den ablehnenden Szenen in der neuen Umgebung. Steinig und hart beginnt Vera von Kamckes Lebensweg mit ihrer Flucht aus Ostpreußen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter bleibt sie. Was bleibt ihr übrig, nachdem ihre Mutter ihr glasklar verkündet, dass Vera in ihrem kommenden Lebensweg keinen Platz mehr hat. Zwar schreibt die Mutter ihrer Tochter Biefe, die Vera in einem Ordner abheftet. Jeder Brief in Klarsichtfolie verpackt wie amtliche Schreiben vom Finanzamt. Ein zufriedenes Mutter-Tochter Verhältnis sieht anders aus.
Veras Nichte Anna ist ebenfalls auf der Flucht – allerdings vor dem Stadtleben und ihrer Ehe mit einem Luftikus.
Glück kommt in diesem dystopischen Film bei keiner der Frauen vor – im Gegenteil. Veras Halbschwester Marlene lebt missgelaunt in ihrer schicken Umgebung. Ein Sohn brilliert als Konzertpianist, Tochter Anna mit der gleichen Ausbildung findet einen Job als Vorschulpädagogin in einer Musikschule für die Hamburger Schickeria. Neben ihrem Bruder rangiert sie immer als Zweite.
Auch in der Ehe sieht Anna sich plötzlich als Zweite, denn der Ehemann betrügt sie. Das veranlasst sie zur Flucht ins Alte Land. Aber ihre Tante Vera weist Anna schroff ab.
Altes Land – auf Hinni ist Verlass!
Immer mit dabei ist Hinni, der Vera schon immer und ewig liebte – leider einseitig.
„Altes Land“ bleibt 1 Jahr in der ZDF-Mediathek
Melancholiker, die sich in den Novemberblues reinpflatschen lassen wollen, sollten sich unbedingt „Altes Land“ 1/2 im ZDF anschauen. Wer den Sendetermin versäumt hat oder die Filme noch einmal anschauen möchte, hat noch bis zum 13.11.2021 Gelegenheit dazu -> Altes Land
Hörbuchtipp: Altes Land – quicklebendig
Der Roman spielt im Alten Land, dem Obstbaugebiet vor den Toren Hamburgs. Hier wimmelt es nur so von originellen Typen.
Vera liebt ihr riesiges, traditionsgetränktes Bauernhaus. Obwohl sie genügend Geld hat, renovierte sie das alte Fachwerkgebäude nie. Panoramafenster und Linoleumboden sind an diesem Reetdachhaus vorbeigegangen. Einquartiert wurde Vera hier als ostpreußischer Flüchtling zusammen mit ihrer Mutter, der ehemaligen Gutsbesitzerin Hildegard von Kamcke – sehr zum Leidwesen der Altbäuerin Ida Eckhoff. Hildegard nahm den Kampf mit ihr auf und ging als Siegerin hervor. Sie heiratete Idas Sohn, den psychisch gestörten Kriegsheimkehrer, der Vera adoptierte. Dann zog Hildegard zu einem neureichen Aufsteiger nach Blankenese und ließ Vera bei ihrem Adoptivvater zurück.
Als Polacken wurden sie von der Dorfbevölkerung geschimpft.
Bei Vera machten sie es allerdings nur einmal. Sie hinterließ eine Spur blauer Flecken – selbst bei den größeren Jungen. Vera schloss die Schule mit einem Einser-Abitur ab, studierte Zahnmedizin und kam wieder in das Haus zurück. Veras große Leidenschaft war und ist die Jagd; ihr einziger Freund war und ist der Nachbar Hinni.
Vera versorgte ihren Vater bis in die Jetztzeit und pflegte ihn (bis) zu (seinem) Tode. Bei seiner Beerdigung sah sie nach Jahrzehnten ihre Halbschwester wieder, die zusammen mit ihrer Tochter Anne gekommen war und glücklicherweise auch wieder ging.
Altes Land: Anna hat schwere Zeiten hinter sich, wie alle Frauen der Familie.
Das einstige Wunderkind am Klavier wurde von ihrem kleinen Bruder überholt. Sie studierte zwar auch Musik, kam aber nicht an die Künste ihres Bruders heran. Nach dem Studium machte sie eine Tischlerlehre, heiratete und lebte mit ihrem Mann und dem Söhnchen Leon in Hamburg Ottensen, dem Hamburger Szeneviertel für die neuen jungen Familien. Als sie ihren Mann mit einer anderen Frau vollkommen nackt an ihrem Küchentisch sitzen sah, schnappte sie sich Leon und fuhr einfach los.
Vera ließ kaum jemanden in ihr Haus, aber diese zwei Gestalten – ihre Nichte Anne mit deren Sohn Leon – erkannte sie sofort als Flüchtlinge. Zwar ist das Haus groß genug, aber Reibungspunkte gibt es überall. Genau wie sich Vera mit der Altbäuerin Ida Eckhoff verstanden hat, bekommt Leon schnell einen Zugang zu der rustikalen Vera.
Altes Land: Soweit die Ausgangslage.
Es folgen Geschichten über Geschichten. Von unterschiedlichen Erziehungsmethoden in Stadt und Land sowie Rückblicke in die Zeit des großen Trecks 1945 von Ostpreußen nach Schleswig-Holstein. Köstlich sind die gegenseitigen Annäherungsversuche der Städterin mit der Landbevölkerung. Bei ihrer Ankunft wird Anne vom Nachbarn angepflaumt. Sie zeigt ihm den Stinkefinger und wird von ihm – so im Vorbeifahren – mit Spritzmitteln eingenebelt.
Dörte Hansen liebt ihre Figuren.
In jede kann sie sich hineinversetzen, lässt jeden zu Wort kommen. Die Leser erfahren, wie ein Obstbauer aus dem Alten Land über die Städter denkt oder was einen Tischler bewegt, der so gern nur mit Vollholz arbeiten würde, aber schon am frühen Morgen mit dem von seinem greisen Vater zugeschnittenen Laminat empfangen wird oder warum ein anständiger Bauer seinen Hof schön „schier“ in Ordnung halten sollte, einschließlich geharkter Wege.
Mit ihrer Stimme trifft Hannelore Hoger genau den Tonfall der ruppigen Vera. Ihre plattdeutschen Einlagen klingen wirklich platt – nicht nach Fremdsprache.
Altes Land: Roman Audio-CD von Dörte Hansen (Autor), Hannelore Hoger (Sprecher), Random House Audio , ISBN-10: 3837130894
Altes Land – Romanverfilmung in zwei Teilen
Stab
Romanvorlage Dörte Hansen
Drehbuch Sherry Hormann
Regie Sherry Hormann
Kamera Armin Golisano
Schnitt Sandy Saffeels
Musik Jasmin Shakeri & Beathoavenz
Ton Andreas Mücke Niesytka
Szenenbild Lars Lange, Axel Nocker
Kostümbild Jessica Specker
Maskenbild Jeanette Latzelsberger, Gregor Eckstein, Elke Lebender, Sarah Wentzel
Produktion UFA FICTION
Produzent Benjamin Benedict
Ausführender Produzent Matthias Adler
Producerin Sinah Swyter
Herstellungsleitung Dirk Ehmen
Redaktion Rita Nasser, Dr. Katharina Görtz
Länge 2 x ca. 89 Minuten
Altes Land – Die Rollen und ihre Darstellerinnen und Darsteller:
Vera (in der Gegenwart) Iris Berben
Vera (als jüngere Frau) Maria Ehrich
Marlene Nina Kunzendorf
Karl Eckhoff (in der Gegenwart) Milan Peschel
Karl Eckhoff (als jüngerer Mann) Kilian Land
Hinni (in der Gegenwart) Peter Kurth
Hinni (als jüngerer Mann) Marius Ahrendt
Anne Svenja Liesau
Leon Marian Dilger
Christoph Jacob Matschenz
Burkhard Weißwerth Matthias Matschke
Ida Eckhoff Karoline Eichhorn
Hildegard von Kamcke Birte Schnöink
Britta zum Felde Lina Beckmann
Dirk zum Felde Bernd Hölscher
Heinrich Lührs Ronald Kukulies
Fritz Jacobi Robin Sondermann
und viele mehr
Nachkriegszeit:
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