Einen Termin streichen sich die Kirchheimerinnen dick in ihrem Kalender an: Die Frauenlesenacht im Spätherbst, denn dieser Abend ist nur für SIE. In dieser Nacht lesen in der Stadtbibliothek Nei’gschmeckte aus Kirchheim und Umgebung in ihrer Muttersprache. Eine Idee, die ausging von hiesigen Pädagoginnen, die alle in ihrer Arbeit mit Frauen zu tun haben.
Der Abend beginnt mit einem Begrüßungstrunk am Eingang – Saft, Tee, Kaffee oder Mineralwasser. Nach gegenseitigem Beschnuppern beginnt das Programm mit regionalen Künstlerinnen aus Kirchheim und Umgebung. In diesem Jahr stellt erstmals eine Malerin ihre Bilder aus. Ihr Thema lautet: „Starke Frauen“. Bisher erlebten die Zuschauerinnen: Tamilische Tempeltänze in original Ceylonesischen Gewändern der Tänzerinnen, französische Chancons mit Akkordeonbegleitung, ein Frauen-Trommelensemble, türkische Bauchtänzerinnen, Saxophonspielerinnen.
In diesem Jahr tritt ein Chor a cappella mit der Erkennungsmelodie „Rote Lippen soll man küssen“ auf.
Die Sängerinnen beherrschen perfekt den entsprechendem Augenaufschlag, Hüftschwung und Swing. Bei den rot geschminkten Lippen der Sängerinnen fällt diese Aufforderung nicht schwer – obwohl ein (zumindest) gemischtes Publikum mehr Erfolg verspricht. Acht junge Frauen singen alte Schlager in deutsch und englisch. Ein anderer Ohrwurm „Junge Leute brauchen Liebe“ von Conny Froboess und Peter Kraus entwickelt sich für die älteren Zuhörerinnen zum reinsten Jungbrunnen (hachchch).
Nach diesem Versucherle verteilt sich das Publikum in verschiedene Ecken der Bibliothek. Drei bis fünf Frauen aus allen Teilen der Welt stellen ihr Heimatland vor. Hier zeigen sie auf engem Raum, was ihnen persönlich wichtig und für ihr Heimatland charakteristisch ist.
Wer jetzt einwenden mag: „Wer wird denn schon nach Kirchheim verschlagen worden sein“, der wird sich wundern. Frauen aus Nordamerika, Mittelamerika und verschiedenen Teilen von Südamerika – USA, Peru und Venezuela. Aus Afrika lasen sowohl weiße als auch schwarze Frauen vor und erzählten über ihre Bräuche. Asiatinnen waren aus China, Japan, Ceylon vertreten. Sie kamen aus Russland, der Türkei, England, Ungarn, Frankreich, Polen, Finnland, Tschechien – um nur einige Länder zu nennen, in denen die Frauen geboren sind.
In der diesjährigen Lesenacht sind Frauen aus folgenden Ländern vertreten: Mongolei, Kroatien, Schweden, Brasilien und Taiwan. Sie lesen in ihrer Heimatsprache vor und übersetzen es danach auf deutsch. Diese unterschiedlichen Sprachmelodien gehören für mich mit zu den schönsten Hörerlebnissen. Können Sie sich vorstellen, wie schön guttural ein Märchen auf mongolisch klingt? Siehe -> ICH – eine Frau aus der Mongolei
Häufig entsteht danach eine rege Diskussion, denn auch die Kirchheimer Frauen sind wissbegierig und weltoffen gegenüber anderen Kulturen. Sie hören interessiert von ihren Sitten und Gebräuchen, bewundern das Kunsthandwerk, die traditionelle Kleidung oder probieren Leckereien.
Wo lassen sich angenehmere Kontakte knüpfen als beim Essen? Nach einem Bio-Buffet endet dieser Abend traditionell mit einer Gute-Nacht-Geschichte – Schlusspunkt und Rausschmeißer zugleich.