Die Oper „Rheingold“ versetzt Frank Castorf in seiner Inszenierung in den amerikanischen Westen. Keine Angst – nicht als Cowboys kommen sie daher. Sie leben an der Route 66 im „Golden Motel“, das seine besten Jahre schon hinter sich hat.
Die Rheintöchter – Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau mit wunderbar leicht wiegendem Waggalaweia-Wellengesang – gekleidet wie Barsängerinnen, versuchen in der Ouvertüre, ihre Freizeit herumzubringen. Eine Rheintochter mit hausfraulichen Qualitäten nimmt die (Reiz)Wäsche von der Leine und kümmert sich um die Würstchen am Grill. Eine andere Rheintochter hält sich am Whiskyglas fest, die Flasche immer im Auge behaltend. Die Dritte liegt nur verklärt lächelnd im Campingstuhl. Alberich – Martin Winkler mit allen nur möglichen Schattierungen seiner Stimme – verhält sich so wie ein Stammgast, den die Rheintöchter nicht ernst nehmen, aber als eingespieltes Team foppen, wo es nur geht. Ihre Neckereien sind schon eingeübt, bis ihm endlich bei so viel Nichtbeachtung seiner Männlichkeit die Geduld ausgeht. Er schnappt sich die goldene Plane aus dem wolkenförmigen Plantschbecken, der Rheinpfütze.
Wotan – Wolfgang Koch mit schlanker, warm tönender Stimme – verbringt seine Zeit in der ersten Etage im Bett mit Fricka – Claudia Mahnkes dunkel gefärbte Stimme verleiht dieser Rolle Autorität – und Freia – Elisabet Strid wandlungsfähig bis hin zu ängstlich/zart. Und jetzt kommt das Interessante. Über dem Motel, das mit der Drehbühne mal den geschwungenen Swimmingpool, die Terrasse oder die Tankstelle anzeigt, hängt eine Leinwand. Dort wird gezeigt, was sich im Inneren des Motels oder auf der Rückseite abspielt. Die Geschichte spielt sowohl drinnen wie draußen. Im Inneren des Motels sind Kameras angebracht. Somit ist den Zuschauern klar, was gleichzeitig passiert.
Wenn bloß die Riesen nicht wären. Fasolt und Fafner – Günther Groissböck, Sorin Coliban mit gefährlich klingenden, schwarz gefärbten Bässen – im Monteurs-Blaumann, streichen bedrohlich am Mercedes mit den Ledersitzen entlang, während sie auf ihrem Lohn bestehen. Das zwingt Wotan zum Handeln. Drinnen verstecken sich Freia und Fricka hinter dem Fenster und lauschen der Verhandlung. Donner – Oleksandr Pushniak – fuchtelt ständig mit seiner Knarre herum. Das nützt nichts. Die Riesen ziehen mit der ängstlichen Freia ab
Die Götter haben kein Geld. Mit Loge – komödiantischer Norbert Ernst mit heller Stimme, passend zum Feuergott – dem Kleinganoven mit dem Latino-Aussehen, zieht Wotan in die Welt auf den Hinterhof, wo sie Alberich vor einem Aluminium-Campingwagen finden.
Mime – hervorragend Burkhard Ulrich mit seiner deutlich artikulierten Aussprache – in einem Anzug aus Goldpailetten (wie Frank Sinatra) läuft gehetzt zwischen Motel und Campingwagen hin und her, schafft die Goldbarren aus dem Motel und bringt sie in den Campingwagen, ohne sich eine Rast zu gönnen. Die Zuschauer verfolgen alles auf der großen Leinwand. Genau so erleben sie Alberichs Verwandlung, bei dem sich die meisten Ausstatter etwas Besonders einfallen lassen. Nicht real mit viel Technik, sondern im Film ringelt sich „der Wurm“als Giftschlange züngelnd über die Goldbarren. Anschließend hockt die Kröte etwas bedröppelt dazwischen. – ebenfalls auf der Leinwand.
Urmutter Erda – Nadine Weissmann mit angenehm tiefem Alt, der unter die Haut geht – kommt als aufgedonnerte Nachtclubsängerin, mit der Wotan sofort anbandelt. Er kann’s nicht lassen. Die Riesen bringen die vollkommen verängstigte Freia mit – in einem Kostüm, das an Zwangsjacke oder Sado-Macho erinnert. Gut wird sie es bei den beiden Grobianen nicht gehabt haben. Um sie hinter dem Gold zu verstecken, wird die Matratze vom Bett gezerrt. Freia liegt auf dem Rost, während die Götter Goldbarren herbeischaffen. Ein Riese überwacht die Goldbarren drinnen, während der andere von draußen Befehle erteilt. Nachdem Fafner Fasolt erschlagen hat, zieht er mit dem Gold ab. Die Götter verteilen sich auf dem Flachdach des Motels.
Kirill Petrenkos Dirigat zeichnet sich durch eine sehr genaue und durchdachte Lesart der Partitur aus. Kirill Petrenko legt großen Wert auf rhythmische Transparenz, die sich auch auf die Durchhörbarkeit im Klang der Partitur auswirkt.
Besetzung 2013
Musikalische Leitung Kirill Petrenko
Regie Frank Castorf
Bühnenbild Aleksandar Denić
Kostüme Adriana Braga Peretzki
Licht Rainer Casper
Video Andreas Deinert
Jens Crull
Wotan Wolfgang Koch
Donner Oleksandr Pushniak
Froh Lothar Odinius
Loge Norbert Ernst
Fricka Claudia Mahnke
Freia Elisabet Strid
Erda Nadine Weissmann
Alberich Martin Winkler
Mime Burkhard Ulrich
Fasolt Günther Groissböck
Fafner Sorin Coliban
Woglinde Mirella Hagen
Wellgunde Julia Rutigliano
Floßhilde Okka von der Damerau
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