Schlagwort: Depression

  • ✍ Altes Land – 2 Filme im ZDF – passend zum Novemberblues

    ✍ Altes Land – 2 Filme im ZDF – passend zum Novemberblues

    Wer bis jetzt weder im Novemberblues noch in Herbstdepressionen schwelgt, sollte sich unbedingt „Altes Land“ im ZDF anschauen.

    Drei Frauen, drei Generationen. Nach dem Bestseller von Dörte Hansen zeigt das ZDF mit einem hochkarätigen Ensemble den Zweiteiler „Altes Land“, Inhalt siehe Altes Land – quicklebendig
    Sonntag, 15. und Montag, 16. November 2020, jeweils 20.15 Uhr, und bis zum 31.11.2021 in der ZDF-Mediathek.

    Altes Land – so deprimierend kann ein Leben verlaufen.

    Altes Land: Vera Eckhoff (Iris Berben) trabt heute immer noch gerne mit ihrem stolzen Ostpreußen provokativ über den frisch geharkten Sandweg ihres Nachbarn.
    Vera Eckhoff (Iris Berben) trabt heute immer noch gerne mit ihrem stolzen Ostpreußen provokativ über den frisch geharkten Sandweg ihres Nachbarn.
    © ZDF und Boris Laewen

    Bis ins hohe Alter geht Vera ihren eigenwilligen Weg weiter, auch wenn es die Nachbarn ärgert. Der Film zeigt genüsslich genau die Szenen, die sie zu einer verhärmten alten Frau werden lassen. Angefangen von ihrer Flucht bis zum körperlichen und geistigen Verfall ihres Stiefvaters – Rückblenden, die von denen verstanden werden, die den Inhalt kennen. Für Freude oder gar so etwas wie Glück hält der Film weniger als eine Minute bereit. Vera und ihr Vater sitzen nach der Konfirmation am Küchentisch. Sie packen erwartungsvoll ein Tortenpäckchen aus einer Konditorei aus dem Papier. Heraus kommen zwei Stück Sahnetorte auf einem Papptablett. Glücklich lächelnd sitzen sie sich gegenüber, jeder mit einer Kuchengabel in der Hand. Während des genussvollen Essens strahlen sie sich an – beseelt und zufrieden. Sogleich wird diese Szene ins Negative gezogen, denn sie werden überrascht und sind sich darüber im Klaren, dass ihr aus-der-Verpackung-essen nicht der Norm einer Konfirmationsfeier entspricht.

    Altes Land – Sie kamen als Flüchtlinge und blieben.

    Altes Land: Die kleine Vera (Emilia Kowalski, l.) erreicht mit ihrer Mutter Hildegard von Kamcke (Birte Schnöink) nach einer abenteuerlichen Flucht über das Eis den zugewiesenen Hof im Alten Land.
    Die kleine Vera (Emilia Kowalski, l.) erreicht mit ihrer Mutter Hildegard von Kamcke (Birte Schnöink) nach einer abenteuerlichen Flucht über das Eis den zugewiesenen Hof im Alten Land.
    © ZDF und Boris Laewen

    Viel Raum gibt der Film den ablehnenden Szenen in der neuen Umgebung. Steinig und hart beginnt Vera von Kamckes Lebensweg mit ihrer Flucht aus Ostpreußen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter bleibt sie. Was bleibt ihr übrig, nachdem ihre Mutter ihr glasklar verkündet, dass Vera in ihrem kommenden Lebensweg keinen Platz mehr hat. Zwar schreibt die Mutter ihrer Tochter Biefe, die Vera in einem Ordner abheftet. Jeder Brief in Klarsichtfolie verpackt wie amtliche Schreiben vom Finanzamt. Ein zufriedenes Mutter-Tochter Verhältnis sieht anders aus.

    Veras Nichte Anna ist ebenfalls auf der Flucht – allerdings vor dem Stadtleben und ihrer Ehe mit einem Luftikus.

    Im Alten Land macht sich Anne (Svenja Liesau) ein Bild von den nötigen Renovierungsmassnahmen am Haus ihrer Tante Vera.
    Im Alten Land macht sich Anne (Svenja Liesau) ein Bild von den nötigen Renovierungsmassnahmen am Haus ihrer Tante Vera.
    © ZDF und Boris Laewen

    Glück kommt in diesem dystopischen Film bei keiner der Frauen vor – im Gegenteil. Veras Halbschwester Marlene lebt missgelaunt in ihrer schicken Umgebung. Ein Sohn brilliert als Konzertpianist, Tochter Anna mit der gleichen Ausbildung findet einen Job als Vorschulpädagogin in einer Musikschule für die Hamburger Schickeria. Neben ihrem Bruder rangiert sie immer als Zweite.
    Auch in der Ehe sieht Anna sich plötzlich als Zweite, denn der Ehemann betrügt sie. Das veranlasst sie zur Flucht ins Alte Land. Aber ihre Tante Vera weist Anna schroff ab.

    Altes Land – auf Hinni ist Verlass!

    Altes Land: Hinni (Peter Kurth) steht unter einem Baum und blickt traurig ins Leere.
    Hinni (Peter Kurth) steht unter einem Baum und blickt traurig ins Leere.
    © ZDF und Georges Pauly

    Immer mit dabei ist Hinni, der Vera schon immer und ewig liebte – leider einseitig.

    „Altes Land“ bleibt 1 Jahr in der ZDF-Mediathek

    Melancholiker, die sich in den Novemberblues reinpflatschen lassen wollen, sollten sich unbedingt „Altes Land“ 1/2 im ZDF anschauen. Wer den Sendetermin versäumt hat oder die Filme noch einmal anschauen möchte, hat noch bis zum 13.11.2021 Gelegenheit dazu -> Altes Land


    Hörbuchtipp: Altes Land – quicklebendig

    Der Roman spielt im Alten3346b29a50bd408685e7b182cb7a14c3 Land, dem Obstbaugebiet vor den Toren Hamburgs. Hier wimmelt es nur so von originellen Typen.

    Cover: Altes Land von Dörte Hansen

    Vera liebt ihr riesiges, traditionsgetränktes Bauernhaus. Obwohl sie genügend Geld hat, renovierte sie das alte Fachwerkgebäude nie. Panoramafenster und Linoleumboden sind an diesem Reetdachhaus vorbeigegangen. Einquartiert wurde Vera hier als ostpreußischer Flüchtling zusammen mit ihrer Mutter, der ehemaligen Gutsbesitzerin Hildegard von Kamcke – sehr zum Leidwesen der Altbäuerin Ida Eckhoff. Hildegard nahm den Kampf mit ihr auf und ging als Siegerin hervor. Sie heiratete Idas Sohn, den psychisch gestörten Kriegsheimkehrer, der Vera adoptierte. Dann zog Hildegard zu einem neureichen Aufsteiger nach Blankenese und ließ Vera bei ihrem Adoptivvater zurück.


    Als Polacken wurden sie von der Dorfbevölkerung geschimpft.

    Bei Vera machten sie es allerdings nur einmal. Sie hinterließ eine Spur blauer Flecken – selbst bei den größeren Jungen. Vera schloss die Schule mit einem Einser-Abitur ab, studierte Zahnmedizin und kam wieder in das Haus zurück. Veras große Leidenschaft war und ist die Jagd; ihr einziger Freund war und ist der Nachbar Hinni.
    Vera versorgte ihren Vater bis in die Jetztzeit und pflegte ihn (bis) zu (seinem) Tode. Bei seiner Beerdigung sah sie nach Jahrzehnten ihre Halbschwester wieder, die zusammen mit ihrer Tochter Anne gekommen war und glücklicherweise auch wieder ging.


    Altes Land: Anna hat schwere Zeiten hinter sich, wie alle Frauen der Familie.

    Das einstige Wunderkind am Klavier wurde von ihrem kleinen Bruder überholt. Sie studierte zwar auch Musik, kam aber nicht an die Künste ihres Bruders heran. Nach dem Studium machte sie eine Tischlerlehre, heiratete und lebte mit ihrem Mann und dem Söhnchen Leon in Hamburg Ottensen, dem Hamburger Szeneviertel für die neuen jungen Familien. Als sie ihren Mann mit einer anderen Frau vollkommen nackt an ihrem Küchentisch sitzen sah, schnappte sie sich Leon und fuhr einfach los.
    Vera ließ kaum jemanden in ihr Haus, aber diese zwei Gestalten – ihre Nichte Anne mit deren Sohn Leon – erkannte sie sofort als Flüchtlinge. Zwar ist das Haus groß genug, aber Reibungspunkte gibt es überall. Genau wie sich Vera mit der Altbäuerin Ida Eckhoff verstanden hat, bekommt Leon schnell einen Zugang zu der rustikalen Vera.


    Altes Land: Soweit die Ausgangslage.

    Es folgen Geschichten über Geschichten. Von unterschiedlichen Erziehungsmethoden in Stadt und Land sowie Rückblicke in die Zeit des großen Trecks 1945 von Ostpreußen nach Schleswig-Holstein. Köstlich sind die gegenseitigen Annäherungsversuche der Städterin mit der Landbevölkerung. Bei ihrer Ankunft wird Anne vom Nachbarn angepflaumt. Sie zeigt ihm den Stinkefinger und wird von ihm – so im Vorbeifahren – mit Spritzmitteln eingenebelt.

    Dörte Hansen liebt ihre Figuren.

    In jede kann sie sich hineinversetzen, lässt jeden zu Wort kommen. Die Leser erfahren, wie ein Obstbauer aus dem Alten Land über die Städter denkt oder was einen Tischler bewegt, der so gern nur mit Vollholz arbeiten würde, aber schon am frühen Morgen mit dem von seinem greisen Vater zugeschnittenen Laminat empfangen wird oder warum ein anständiger Bauer seinen Hof schön „schier“ in Ordnung halten sollte, einschließlich geharkter Wege.
    Mit ihrer Stimme trifft Hannelore Hoger genau den Tonfall der ruppigen Vera. Ihre plattdeutschen Einlagen klingen wirklich platt – nicht nach Fremdsprache.

    Altes Land: Roman Audio-CD von Dörte Hansen (Autor), Hannelore Hoger (Sprecher), Random House Audio , ISBN-10: 3837130894


    Altes Land – Romanverfilmung in zwei Teilen

    Stab
    Romanvorlage Dörte Hansen
    Drehbuch Sherry Hormann
    Regie Sherry Hormann
    Kamera Armin Golisano
    Schnitt Sandy Saffeels
    Musik Jasmin Shakeri & Beathoavenz
    Ton Andreas Mücke Niesytka
    Szenenbild Lars Lange, Axel Nocker
    Kostümbild Jessica Specker
    Maskenbild Jeanette Latzelsberger, Gregor Eckstein, Elke Lebender, Sarah Wentzel
    Produktion UFA FICTION
    Produzent Benjamin Benedict
    Ausführender Produzent Matthias Adler
    Producerin Sinah Swyter
    Herstellungsleitung Dirk Ehmen
    Redaktion Rita Nasser, Dr. Katharina Görtz
    Länge 2 x ca. 89 Minuten

    Altes Land – Die Rollen und ihre Darstellerinnen und Darsteller:

    Vera (in der Gegenwart) Iris Berben
    Vera (als jüngere Frau) Maria Ehrich
    Marlene Nina Kunzendorf
    Karl Eckhoff (in der Gegenwart) Milan Peschel
    Karl Eckhoff (als jüngerer Mann) Kilian Land
    Hinni (in der Gegenwart) Peter Kurth
    Hinni (als jüngerer Mann) Marius Ahrendt
    Anne Svenja Liesau
    Leon Marian Dilger
    Christoph Jacob Matschenz
    Burkhard Weißwerth Matthias Matschke
    Ida Eckhoff Karoline Eichhorn
    Hildegard von Kamcke Birte Schnöink
    Britta zum Felde Lina Beckmann
    Dirk zum Felde Bernd Hölscher
    Heinrich Lührs Ronald Kukulies
    Fritz Jacobi Robin Sondermann
    und viele mehr


     

    Nachkriegszeit:

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  • ✍ Tür auf Tür zu – Katz‘ und Maus | Theatertipp

    ✍ Tür auf Tür zu – Katz‘ und Maus | Theatertipp

    Tür auf Tür zu: Das Dreipersonenstückac36e841479346abbbfc6019fc8f457e handelt von einer Frau Mitte Vierzig, die in einem geschlossenen Kreislauf lebt. Sie geht kurz vor die Tür und kommt nicht mehr hinein. Die Tür in Form eines Türstehers bleibt für sie geschlossen, siehe -> Tür auf Tür zu

    Tür auf Tür zu: Sie kennt die Spielregeln nicht

    w.Renitenzensemble_Tuer_auf_Tuer_zu_7261In der Inszenierung von Benjamin Hille im Stuttgarter Renitenztheater ist es ein Ort, an dem jeder jeden kennt. Es sieht nach einer Stehparty aus, bei der sich Singles, Börsenmakler oder Wichtigtuer treffen, um über Gleichgesinnte herzufallen. Sie treffen sich und tratschen jeder über jeden. Einen tiefere Bindung kommt nicht zustande. Ausgerechnet dort will sie wieder hinein. Eine fixe Idee, die ihr ganzes Leben durcheinander bringen wird. Für die Zuschauer nicht ganz nachvollziehbar, denn so interessant kann es doch da drinnen nicht sein.
    Jetzt beginnt das Gesellschaftsspiel, das ER als Tür genießt, während SIE die Spielregeln nicht kennt. Die Tür (Michael Günther) führt ein Eigenleben als Zerberus mit durchaus mitfühlenden Zügen. Sein Blick wandert zwischen Anneliz (Schirin Brendel) und ihren Mitleidern über Konkurrenten bis Bessergestellten (Martin König) hin und her. Wenn es aber darum geht, die Tür geschlossen zu halten, ist er unbestechlich. Bei diesem Katz-und-Maus-Spiel behält die Tür immer die Oberhand.

    Tür auf Tür zu: Kaum Requisiten, aber sehr anschaulich

    Martin König mimt sämtliche Figuren, die mit Anneliz Kontakt haben. Sowohl die „Vergiss-es!“, als auch die Bestätigenden, denen es ähnlich geht wie ihr. Er fühlt sich gelangweilt, bricht weinend zusammen, verbreitet Zuversicht, während er von seinem unbezahltem Traumjob erzählt.
    Sie brauchen nicht viele Requisiten. Veranschaulicht wird die frostige Zeit durch Zittern und vor Kälte frösteln. Regen stellt Michael Günther mit Trommeln der Finger auf einem Holzkasten dar. Mit Papier rascheln simuliert er ein Feuer, an dem sich die Beiden mühsam wärmen.
    Panik: Licht geht fast aus. Hintergrund orange erleuchtet. Drei Personen werden ungesund grün angestrahlt. Sie babbeln durcheinander. Anneliz redet sich ein, unentbehrlich zu sein. Martin König als Alter Ego behauptet genau das Gegenteil. Rechnet ihr alle Defizite vor. Stereotyp Michael Günther: „Tür zu! Tür zu! Tür zu!“ Sie wird atemloser. Es knallt. Das Licht geht an. Die Panikattacke ist mit einem Schlag vorbei.

    Aktiv und voller Tatendrang unternimmt Anneliz Rückkehrversuche.

    Sie schafft es, die lebendige Tür vom Sockel zu heben und in die Ecke zu stellen. Rein kommt sie dadurch nicht, denn die Tür ist zu. Michael Günter lebt sein komisches Talent mit vollem Körpereinsatz aus. Seine Figur gleicht einem Fragezeichen, das schnell zu einem Ausrufezeichen, Komma oder Punkt werden kann. Ertönt aus dem Off Geigenmusik, mimt er hingebungsvoll einen Stehgeiger. Von seinen Grimassen lenkt nichts ab – nicht einmal eine Frisur. Anneliz‘ Handgreiflichkeiten nützen nichts. Ein Kinnhaken, der 2 cm vor dem Kinn endet, beantwortet er mit fallendem Unterkiefer und/oder einem Hänger über dem Sockel. Die Tür bleibt zu. Ebenso hilft kein Arschkriechen, das Michael Günther voller Vorfreude mit herunter gelassener Hose erwartet, den Allerwertesten dem Publikum zudrehend. Genau so begeistert ihn der Stripteasetanz, den er mit seiner schlaksigen Figur aktiv mitgestaltet. Im letzten Augenblick besinnt er sich.

    „Die Tür ist zu!“

    Anneliz ist genervt, nur genervt. Sie schafft es nicht, außerhalb dieser Gesellschaft Fuß zu fassen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Immer wieder unternimmt sie Versuche, ausgerechnet durch diese Tür hinein zu gehen. Verbohrt auf dieses immer fernere Ziel schauend, wird sie depressiv und pomadig, bis sie am Schluss nur noch mit Tagträumen im Bett liegt, um mit allen abzurechnen, die sie erniedrigten. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann …

    Renitenztheater in Stuttgart
    Besetzung am 5. Dezember 2014: Schirin Brendel, Michael Günther und Martin König
    Regie: Benjamin Hille
    Probenfoto © Sabine Haymann


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  • ✍ Vor dem Fest – nachtaktive Dorfbewohner: Hörbuch-Tipp

    ✍ Vor dem Fest – nachtaktive Dorfbewohner: Hörbuch-Tipp

    Vor dem Fest: Acht Jahre lang schrieb Sasa Stanisic an diesem Roman, der zeitgleich auch als Hörbuch herausgegeben wird, gelesen vom Autor.

    Vor dem Fest: Kurze Inhaltsangabe 

    Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die allerdings vom Inhalt bestimmt sind, ist es eine Wonne, ihm zuzuhören. Die Geschichte handelt von den Bewohnern des Dorfes Fürstenfelde in der Uckermark, die ihr jährliches Fest feiern wollen. In den letzten Stunden davor ist ein großer Teil der Einheimischen recht aktiv. Er erzählt in der zeitlichen Abfolge, wobei immer nur einige Personen im Mittelpunkt stehen, dann wechselt er zu anderen Dorfbewohnern. Irgendwann in dieser Nacht trifft jeder mit jedem zusammen.

    Vor dem Fest: Nachtaktive Dorfbewohner

    Vor dem Fest - nachtaktive Dorfbewohner - Rauch im dunklen ZimmerHerr Schramm, ehemals NVA-Offizier, wieder Single und lebensmüde, wird ständig daran gehindert, sich eine Kugel in den Kopf zu schießen. Alles hat er schon vorbereitet, um später genau so vorgefunden zu werden, wie er es im Tatort gesehen hat. Doch Herr Schramm ist hochgradig nikotinsüchtig. Gerade als er seine alte Dienstpistole ansetzen will, ruft die Sucht so stark, dass Herr Schramm alles stehen lässt und mit seinem geliebten Feldhäxler Mammut 6800, Baujahr 1994, 350 PS, lautstark zum Zigarettenholen fährt. Vielleicht sollte Herr Schramm auf E-Zigaretten umsteigen, denn nach den Ereignissen dieser Nacht bekommt er wieder Lebensmut.

    Zu seinen Figuren hat Sasa Stanisic als Erzähler eine Distanz aufgebaut.

    Als scheinbar neutraler Beobachter wechselt er ständig die Perspektive. Mal erzählt er aus der Sicht des Dorfes, mal aus der Sicht der Füchsin oder einer der skurrilen Persönlichkeiten, die das Dorf Fürstenfelde bevölkern. Damit öffnet er uns den Blick für die Besonderheiten der Fürstenfelder, ohne zu werten. Die Hörer verfolgen von ihren Sesseln aus die Ereignisse der Nacht, vorangetrieben durch die extravaganten bis kauzigen Einwohner – als da sind:

    Frau Schwermuth, Herrin im Haus der Heimat und Chronistin von Fürstenfelde.

    Die Chronik, die sie in- und auswendig kennt, handelt nur von Mord und Totschlag. Manchmal unterscheidet Frau Schwermut nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Frau Schwermut macht ihrem Namen alle Ehre. Jedes Jahr im Frühling überkommt sie eine Depression. Dann legt sie sich, mit dem Blick in den Himmel, in die Narzissen. Versorgt wird sie in dieser Zeit von ihrem Mann und Johann, dem Sohn. Beide lieben sie trotz oder wegen ihrer Sperenzchen.

    Anna, hochgradig asthmatisch

    Anna möchte in der Nacht vor dem Fest aus Fürstenfelde fliehen, ohne irgendjemanden zu informieren. Auch sie lässt sich aufhalten – von Herrn Schramm und den anderen seltsamen Gestalten. Er stellt sich zwischen Frau Schwermuth und Anna, die sich mit geladenen Pistolen gegenüberstehen. Eine davon hält nur eine Wasserpistole – das sieht aber nur Herr Schramm.
    Im Gegensatz zu seinen Altersgenossen verbringt Johann seine Zeit nicht in der Disco, sondern im Glockenturm. Er hat vom alten Glöckner das Glockenspielen gelernt und möchte zum Fest seine Prüfung machen.

    Vor dem Fest – ein fantasievolles Buch

    Sollte dieses Buch je verfilmt werden, wird es für die Filmemacher schwierig sein, denn die starken Landschaften, Persönlichkeiten, Lebensräume, Eigenarten, die Sasa Stanisic mit seinen Worten aufbaut, behält bestimmt jeder Hörer/Leser als seine eigenen Bilder im Kopf. Schon wie er die alten Fotos aus den 30er Jahren beschreibt, die total in Schwarz-Weiß gehalten sind – also Sepiabraun. “Sehr kleine Damenhüte auf Löckchen und Wellen”. Solche Details entzücken. Oder die Randszene am Anfang des Festes: “Ein kleiner kalifornischer Rentner beharkt sich höflich mit einem Radtouristen. Er möchte seine Vorfahren in Leitzordnern auf dem Tisch ausbreiten, sie ihr Proviant in der Alufolie.”


    Ein fantasievolles Buch, das ebenso die Fantasie der Leser/Hörer anregt.   Vor dem Fest: Roman von Sasa Stanisic (Autor, Sprecher) | der Hörverlag | ISBN-10: 3844514481

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  • ✒ Buchtipp: „Delfinarium“ von Michael Weins

    ✒ Buchtipp: „Delfinarium“ von Michael Weins

    Es 632c4092ae0d47959cc42b7ca439c808fängt an mit einem Missverständnis und geht so weiter. Wer ist die Frau, die sich nicht erinnern kann? Sind es zwei Frauen, vielleicht Zwillinge?
    Daniel stellt sich mit „Martin“ vor, worauf sein künftiger Arbeitgeber sich als Henry vorstellt und ihm das Du anbietet. Martin ist Daniels Familienname. Mit genau solchen Irrtümern geht es weiter. Gesucht wurde eine Begleitperson für den Zoo. Daniel hatte sich eine alte Frau vorgestellt, die er – eventuell im Rollstuhl – von einem Gehege zum anderen begleiten muss.

    Im Delfinarium lebt die psychisch kranke Frau auf

    Susann, die fremde Frau, mit der er in den Zoo gehen soll, ist jung und vollkommen apathisch. Bei der Geburt ihres Kindes vor einem halben Jahr lag sie für sieben Minuten im Koma; seitdem spricht sie nicht und starrt nur noch teilnahmslos vor sich hin. Aber kaum sind sie im Zoo, wird aus der ehemals energielosen Frau eine Schnellläuferin, die mit staksigen Schritten auf ein Ziel zustrebt. Nicht etwa, wie er es sich gewünscht hat, zu seinen Lieblingstieren, den Giraffen. Sie möchte nur ins Delfinarium, sonst nichts. Aufmerksam verfolgt sie die Trainingsstunde mit den Kunststücken. Als es zu Ende ist, schaut sie ihn mit einem verklärt lächelndem Gesicht an und haucht: „Schön“.

    Ist der Ehemann der richtige oder gibt es noch einen anderen?

    Etwas verquickt sind die Verhältnisse. Susanns Mann, ein Koch, der gern und viel Bier trinkt, heuert Daniel an, damit er mit ihr in den Zoo geht und eventuell etwas über sie herausfindet, was er nicht weiß. Das passiert schon beim zweiten Zoobesuch. Als Daniel seine Blase entleeren muss – im Gebüsch – bemerkt er einen Mann, der auf Susann einredet. Sie sieht ihm gerade ins Gesicht, reagiert aber nicht weiter. Dieser Mann behauptet, mit Susann, die er Marie nennt, verheiratet zu sein. Intuitiv erzählt er Henry nichts davon; der hat außerdem noch andere Probleme. Seine Schwester in Karlsruhe kommt ins Gefängnis, da sie anscheinend Drogen geschmuggelt hat. Er bittet Daniel, in seinem Haus zu übernachten und auf Susann aufzupassen.

    Kaum ist er mit Susann allein, erscheint wieder der Mann aus dem Zoo, der seine Frau mitnehmen will. Sein Weg führt nach Mecklenburg. Hier entdeckt Daniel die Frau neu, aber nicht als Susann, sondern als Marie. Weder Susann noch Marie reden. Ist es ein und dieselbe Frau, die sich nicht erinnern kann? Sind es zwei Frauen, vielleicht Zwillinge oder Doppelgängerinnen?
    Daniel will will es herausfinden.

    Michael Weins‘ Erzählweise zeichnet sich aus durch trockenen Humor

    Er zeigt das Leben durch die Brille eines bummelnden Spätzünders, bei dem manches anders läuft, als er sich es vorstellt. Das Buch ist gespickt mit viel Lokalkolorit, oft unwirklich. Das alles findet statt zwischen Buxtehude im Alten Land und Rerik an der mecklenburgischen Ostseeküste, dem Ort von „Sansibar oder der letzte Grund“ von Alfred Andersch. Vieles scheint sich auf der Traumebene abzuspielen, wird dann aber doch Wirklichkeit – oder auch nicht?

    Delfinarium von Michael Weins , Mairisch Verlag;

    Depression:

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  • ♀ Buchtipp: Die Frau in der hinteren Reihe – Roman von Françoise Dorner

    ♀ Buchtipp: Die Frau in der hinteren Reihe – Roman von Françoise Dorner

    w.gesicht.mund 005Immer hat sich Nina nach Liebe, Partnerschaft und Familie gesehnt und nie bekommen. Nicht von ihrer allein erziehenden Mutter, die nur an sich denkt; nicht von den Nonnen im Klosterinternat; ein bisschen von ihrer einzigen Freundin Giselle. Als Roger sie fragt: „Willst du dein Leben mit mir teilen?“ sagt sie sofort zu. Gleich nach der Hochzeit merkt sie, dass damit etwas ganz anderes gemeint war.
    Sie durfte fortan die Arbeit mit ihm teilen, und zwar fünfzehn Stunden lang von morgens fünf Uhr bis abends um acht Uhr, sechs Tage in der Woche. Alle drei Stunden wechselten sie sich ab in Rogers Kiosk. In den Zeiten dazwischen erledigt Nina die Wäsche, kocht und kauft ein, während Roger die Kiosk-freie Zeit im Bistro verbringt.

    Als Roger den freien Tag nicht mehr mit ihr vor dem Fernseher verbringen mag, sondern allein weggeht, schleicht sie ihm nach und stellt fest, dass er sich nicht – wie vermutet – mit einer anderen Frau trifft, sondern ins Kino geht und sich Kriegsfilme anschaut. Eines Tages umhüllt sie sich mit einer Wolke billigem Orchideenparfums und verkleidet sie sich mit einer wallenden Perücke, karminrotem Lippenstift, Highheels, Strümpfen mit Naht, wie sie es in den Männermagazinen im Kiosk gesehen hat. Im Kino setzt sie sich eine Reihe hinter ihn und bandelt mit ihm an. Mit hoher Stimme und chinesischem Akzent beschwört sie ihn, sie ja nicht anzuschauen. Sie schmusen miteinander, was sie besonders erotisiert,  und ihn für sie begehrlich macht. Bevor das Licht angeht, ist sie verschwunden.

    Wie sie es sich gewünscht hat, sieht ihr Mann sie mit neuen Augen – aber nicht positiv. Je öfter diese Kinonachmittage stattfinden, umso mehr mäkelt er an ihr herum. Sie findet keine Gelegenheit, ihn aufzuklären, deshalb lässt sie einen Kinotermin verstreichen. Die Woche drauf geht sie aber wieder hin, denn Roger lief herum wie ein Tiger im Käfig, aufs Äußerste gereizt…

    Françoise Dorner erzählt die trostlose Geschichte einer Frau, die auf der Suche nach Liebe grundsätzlich am falschen Platz und zur unrechten Zeit genau das verkehrte macht. Was immer sie anpackt, es geht schief. Der Mann, den sie begehrt, möchte nichts von ihr wissen. Die Männer, die sie begehren, übersieht sie. Tja – traurig!

    Die Frau in der hinteren Reihe von Françoise Dorner (Autor), Christel Gersch (Übersetzer) Verlag: Diogenes; Originaltitel: La fille du rang derrière

    Parfümduft:

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  • ♂ Inhalt / Handlung: Der Blaue Boll von Ernst Barlach

    ♂ Inhalt / Handlung: Der Blaue Boll von Ernst Barlach

    Der Blaue Boll – ein Drama über das Leben des Mecklenburger Gutsbesitzers5f176efe9d7c43f79190b314c933cc6c Boll.   Die Zeit reicht vom Morgen bis zum nächsten Morgen, 24 Stunden, in denen sich dramatische Dinge ereignen.

    Gutsbesitzer Boll und seine Frau Martha kommen in die Stadt.

    Der blaue Boll von Ernst BarlachSie kommen, um sich mit Verwandten zu treffen und Besorgungen zu machen. Boll trägt seinen Beinamen „blau“ wegen seiner Neigung zum Schlagfluss, der ihm das Blut in den Kopf schießen lässt und ihn blau färbt. Er isst und trinkt übermäßig – besonders Letzteres. Auch dafür steht der Beiname.
    Martha, Bolls Frau, erledigt Einkäufe, während Boll auf dem Markt wartet.

    Der Blaue Boll trifft Grete

    Hier rennt ihm die – von ihrem Mann verfolgte – Grete über den Weg.  Sie fragt ihn, wo sie sich verstecken kann. Boll zeigt ihr den Weg zum Kirchturm, während der Schweinehirt Grüntal weiter nach seiner Frau sucht. Sie hat wieder eine ihrer Wahnvorstellungen, in der sie ihre drei Kinder umbringen möchte. Boll führt Grüntal auf die falsche Fährte und begibt sich auf den Turm. In Grete erkennt er eine verwandte Seele, denn er kämpft ebenfalls mit Halluzinationen. Er sieht sich als zweite Person; weiß nicht, ob er derjenige ist, für den ihn alle halten. Noch sucht er ein leichtes erotisches Abenteuer, aber Grete verfolgt stur ihren Plan. Wenn er ihr Gift besorgt, das ihre Kinder schnell und schmerzlos umbringt, wird sie ihn „liebhaben“ – eher nicht. Sie verabreden sich für den Abend an einer bestimmten Stelle.

    Inzwischen warten der Bürgermeister, Schweinehirt und Martha auf Boll. Boll redet solch wirres Zeug, dass sogar Martha an seinem Verstand zweifelt.

    Der Blaue Boll und Grete in der Spelunke zur „Teufelsküche“

    In der Dämmerung trifft Boll auf Grete, die das Gift von ihm fordert. Als Boll merkt, dass er seinen „Lohn“ nicht so ohne Weiteres bekommt, lädt er sie in der Spelunke zur „Teufelsküche“ ab. Der Wirt „Elias, der Teufel“ verspricht, sich um sie zu kümmern. Auch er meint, leichtes Spiel mit der geistig labilen Frau zu haben, doch hier hat er sich getäuscht. Grete lässt ihr Ziel, ihre Kinder zu vergiften, nicht aus den Augen. Elias bringt ihr Essen und eine Flasche Schnaps, muss sich aber noch um seine Gäste kümmern.
    In der Zwischenzeit sitzen Bolls Vetter Otto und seine Frau Martha in der „Goldenen Kugel“, betrinken sich und reden wirres Zeug. Boll gabelt unterwegs einen Mann auf, den er für den Herrgott hält, und lädt ihn in die „Goldene Kugel“ ein. Es entspinnen Dialoge, wie sie nur Betrunkene von sich geben und verstehen. Martha scheint noch die Nüchternste zu sein und bestimmt, dass sie nach Hause fahren sollen. Da rutscht Boll der folgenschwere Satz heraus: „Grete, ich lass dich nicht allein“
    Sofort schrillen bei Martha die Alarmglocken – Grete!
    Inzwischen durchlebt Grete im Wirtshaus zur Teufelsküche eine ihrer Wahnvorstellungen. Sie hört Stimmen und sieht, wie ihre drei Kinder in die Hölle geführt und verbrannt werden. Als sie immer heftiger schreit, stürzen Elias und seine Frau Doris herein. Doris hat Erfahrung mit geistig Weggetretenen. Sie lässt Grete die Flasche (Gift) leer trinken, wiegt sie wie ein Kind und redet beruhigend auf sie ein, bis sie eingeschlafen ist.

    Der Spuk ist vorüber

    Am nächsten Morgen findet Boll Grete in der Kirche. Ihr Schub ist vorüber. Es plagen sie lediglich Kopfschmerzen vom Schnaps. Boll lässt sie nach einer Aussprache mit seinem Kutscher nach Parum fahren – ihrem Heimatort.
    Ohne Gift!

    Der Blaue Boll, Drama von Ernst Barlach, wurde 1926 in Stuttgart uraufgeführt, aber nach drei Vorstellungen wieder abgesetzt. Später hatte „Der Blaue Boll“ großen Erfolg in Berlin, mit Heinrich George in der Hauptrolle. Das Werk enthält zahlreiche Bilder und Orte aus Barlachs Heimat Mecklenburg. Ein Teil der Handlung spielt im Güstrower Dom.

    Personen:
    Kurt Boll – wohlhabender Gutsbesitzer
    Martha Boll – seine Frau
    Otto Prunkhorst – Gutsbesitzer und Vetter von Boll
    Schweinehirt Grüntal
    Grete Grüntal – Frau des Schweinehirten Grüntal
    Elias, der Teufel – Wirt
    Doris – seine Frau
    Bürgermeister
    Holtfreter – Schuhmachermeister
    Virgin – Uhrmacher
    Saugwurm – Kutscher
    Käselow, Splint und Mehlspeis – drei Tote

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  • ♫ Inhalt / Handlung: Die Liebe zu den drei Orangen – Oper von Prokofjew

    ♫ Inhalt / Handlung: Die Liebe zu den drei Orangen – Oper von Prokofjew

    Die Liebe zu den drei Orangen – turbulente Märchenoper vom Prinzen, der nicht lacht. Eine Hexe verdammt ihn dazu, 3 Orangen zu lieben. Sergeid2f4768330654d218ac4653deca4ead3 Prokofjew komponierte die Musik – Ohrwurm ist der schmissige Marsch.

    liebe zu den drei Orangen - blauer Hintergrund

    Der Herold erklärt die Geschichte.

    Der alte König Treff denkt an die Thronfolge und möchte lieber seinen Sohn als Nachfolger einsetzen, obwohl die aktive – wenn auch intrigante – Nichte Clarisse besser geeignet wäre. Sein Sohn nämlich leidet an der Prinzenkrankheit, die viele überbehütete und nicht geforderte Nichtsnutze befällt – an hypochondrischer Depression. Er kann sich über nichts freuen und reißt in seiner Begeisterung für diesen Zustand alle mit. Seine ganze Umgebung gefällt sich in trübsinniger Miesepetrigkeit. Diese Gesamtlage kann nur mit einer Medizin geheilt werden – herzlichem Lachen.

    Sowohl der Prinz als auch Clarisse haben Verbündete mit magischen Kräften.

    Als Gegenspieler wirken der gute Zauberer Tschelio und die böse Hexe Fata Morgana. Sie steht natürlich auf der Seite der sich vordrängelnden Nichte mit ihrem Beinaheverlobten Leander. Die guten – also Prinz und König – vertritt der edle Magier Tschelio. Die beiden machen die Sache unter sich aus. Beim Kartenspiel verliert Tschelio 3x. Es würde also das Böse gewinnen, wenn wir nicht ein Märchen auf der Bühne sähen, in dem das Gute traditionell siegt.

    Clarisse heuert Leander an, damit er ihr hilft, den Thron zu besteigen.

    Dafür stellt sie ihm in Aussicht, ihn bei Erfolg zu heiraten. Sie denkt beim Königssohn an kurzen Prozess mit realem Gift. Leander möchte es lieber langsam abwickeln mit ungenießbarer Prosa und zermürbenden Gedichten. Fata Morgana schickt ihre Sklavin Smeraldina als Botschafterin, die ihnen verrät, dass der Magier Tschelio und der sich abmühende Hofnarr Truffaldino den Prinzen bevorzugen. Fata Morgana möchte nicht direkt auftreten, kommt aber zum Fest, das den Prinzen amüsieren soll. So kann sie sicher gehen, dass der Prinz in ihrer Gegenwart nichts zu lachen hat.

    Ein Lachfest für den traurigen Prinzen.

    Auf dem Fest müht sich der Berufsspaßmacher Truffaldino mit allem ab, was die Fantasie des Regisseurs an feinen oder derben Späßen hergibt. Sowohl das gemeine Volk als auch der Prinz haben dafür keine Muskelzuckung übrig. Das geht dem Possenreißer an seine Berufsehre. Vor lauter Frust packt er die neben ihm stehende Fata Morgana und verprügelt sie, bis sie am Boden liegt und mit den Beinen in der Luft zappelt. Diese Ersatzhandlung ist nicht unbedingt die feine Art. Genau so wenig wie die Reaktion des Prinzen, die beweist, dass Schadenfreude die reinste Freude ist. Er schüttelt sich vor Lachen, was sich zu einer Lacharie ausweitet und das ganze Volk mitreißt. Das macht eine gestandene Hexe wie Fata Morgana so wütend, dass sie den Prinzen verflucht. Er soll sich verlieben, und zwar in drei Orangen.

    Eine ungeahnte Energie geht von dem vorher antriebsarmen Prinzen aus.

    Er möchte sofort aufbrechen, um die drei Orangen zu finden. Das erstaunt den Vater, der befürchtet, dass seinem lebensuntüchtigen Sohn auf der Reise etwas zustoßen wird. Selbst gegen den überbesorgten Vater setzt sich der blindverliebte Romeo durch und zieht mit Vaters Segen und dem Spaßmacher Truffaldino als Aufpasser von dannen.

    Allzeit bereite Waffe einer Köchin – der Suppenlöffel

    Liebe zu den drei Orangen - rabiate Köchin
    (c) Stiftung Preußische Schlösser und Gärten

    Auf ihrer Reise verlieren sie die Orientierung. Sie treffen den guten Zauberer Tschelio, der ihnen den Weg zur bösen Kreontas weist, in deren Küche die drei Orangen von einer Köchin gefangen gehalten werden. Um der todbringenden Suppenlöffel-Waffe der Köchin zu entgehen, gibt Tschelio ihnen ein Zauberband mit. Wenn sie die Orangen befreien, dürfen sie die Früchte nur an Orten öffnen, an denen Wasser fließt. Wie immer im Märchen sind die Bedingungen sowohl unlogisch als auch schwer einzuhalten. Wozu braucht eine saftige Frucht fließendes Wasser? Sie werden es bald merken.

    Der Prinz entdeckt die die Liebe zu den drei Orangen.

    Sie entgehen – mit Hilfe des Zauberbandes – dem Suppenlöffel der rabiaten Köchin und damit ihrer Landung im Kochtopf. Der Rückweg zusammen mit den drei Orangen führt durch eine Wüste. Während der Prinz vor Erschöpfung einschläft, plagt Truffaldino der Durst. Als er eine der riesig gewordenen Orangen öffnet, steigt eine Prinzessin heraus, die ihn um Wasser bittet. Woher nehmen? Truffaldino öffnet die zweite Orange. Auch darin befindet sich eine Prinzessin kurz vor dem Verdursten. In Panik ergreift der Schelm die Flucht. Als der Prinz erwacht, freut er sich über die verbliebene Prinzessin Ninetta, in die er weisungsgemäß verknallt ist. Da auch sie zu verdursten droht, hilft der Chor mit Wasser aus, damit das Spiel weitergehen kann. Ninetta geniert sich mit ihrer Garderobe, die nicht der Mode entspricht. Das versteht der Prinz und zieht los, um Kleidung zu holen. Das nutzt Fata Morgana, um Ninetta in eine Ratte zu verwandeln und gegen Smeraldina auszutauschen. Beim König angekommen, bemerkt der Prinz den Irrtum und weigert sich verbissen, die neue Frau zu heiraten. Dem Vater werden die Sperenzchen seines Sohnes zu bunt. Er befiehlt ihm, die gegenwärtige Prinzessin zu heiraten.

    Wie es für ein Märchen üblich ist, siegt das Gute über das Böse.

    Fata Morgana, Clarisse, Leander und Smeraldina erfahren ein mehr oder weniger drastisches, genüßlich ausgespieltes Ende. Tschelio zaubert die Ratte zurück in die Prinzessin Nicoletta, die der Prinz sofort als seine zukünftige Frau wiedererkennt. Der König ist begeistert von seiner zukünftigen Schwiegertochter. Die Hofgesellschaft lässt König, Prinz und Prinzessin hochleben. Und wenn sie nicht gestorben sind …

    Die Liebe zu den drei Orangen – Oper mit Musik von Sergei Prokofjew

    Sergei Prokofjew erstellte das Libretto zusammen mit Véra Janocopulos in französischer Sprache nach der literarischen Vorlage von Carlo Gozzi. Die Spieldauer der Oper beträgt ungefähr 2 Stunden. Die Uraufführung fand am 30. Dezember 1921 im Auditorium Theatre in Chicago statt.

    Die Oper komponierte Prokofjew im Auftrag der Chicago Opera Company. Sie traf genau den amerikanischen Geschmack – bunt, fantasiereich, schwungvoll. Mitreißend ist der Marsch aus dem zweiten Satz. Seit der Uraufführung wurde die Oper schnell in den großen Opernhäusern der Welt nachgespielt. Am besten gefiel Prokofjew die Inszenierung in Leningrad. Die Berliner Inszenierung „germanisierte“ seiner Meinung nach seinen Prinzen zu einem kleinen Siegfrid nach Wagnermanier.



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    Personen
    König Treff (Bass)
    Der Prinz, sein Sohn (Tenor)
    Prinzessin Clarisse (Mezzosopran)
    Leander (Bariton, auch Bass)
    Truffaldino, ein Spaßmacher (Tenor)
    Pantalon (Bariton)
    Tschelio, Zauberer u. Beschützer des Königs (Bariton)
    Fata Morgana, Zauberin (Dramatischer Sopran)
    Linetta (Alt)
    Nicoletta (Mezzosopran)
    Ninetta (Sopran)
    Die Köchin (Bass [mit rauer Stimme])
    Farfarello, ein Teufel (Bass)
    Smeraldine (Soubrette, auch Mezzosopran)
    Zeremonienmeister (Tenor)
    Der Herold (Bass)

    Opern – Musical – Ballett – Theater

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  • ☛ Trickfilm-Tipp: Café Froid – Eiskaffee

    Internationales Trickfilmfestival 2016 in Stuttgart: Ein Film über eine junge029e17bed6f74f999d88aa785787e7fa Frau, die in eine folgenschwere Depression hineinschlittert.
    Eine Frau mit deutlich freudlosen Gesichtszügen und entsprechender Haltung betreibt in Saigon ein Straßencafé. Kistengroße Eisblöcke zerschlägt sie mit einer Metallkeule für den Eiskaffee, den die Leute vom Fahrrad oder Mofa aus bestellen. Gehetzt verrichtet sie ihre täglichen Tätigkeiten. Privat lebt sie mit ihrer Tochter in ärmlichen Verhältnissen. In ihrer Wohnung schwirren Fliegen herum, die von den Geckos an den Wänden verspeist werden.

    Täglich fängt sie eine Ratte.

    Jeden Morgen setzt sie den Wasserkessel auf, trägt ihn in einer Hand, die Falle samt Ratte in der anderen, zu einem bestimmten Platz. Mit routinierten Bewegungen übergießt sie die Ratte mit kochendem Wasser und entsorgt sie in einem Loch im Fußboden.
    Plötzlich stirbt die Mutter und die Tochter muss zum Überleben das Café weiterführen. Auch sie wird depressiv, im Laufe der Zeit immer stoischer.
    Im Gegensatz zu ihrer Mutter schaut sie passiv mit traurigen, in sich gekehrten Augen den immer mehr werdenden Fliegen an der Wand zu. Sie beobachtet die Ratte, die von ihren Lebensmitteln frisst und von Tag zu Tag immer dicker wird. Sie schaut nach innen statt nach außen. Sie entzündet im Bad Kerzen neben dem Portrait ihrer traurig blickenden Mutter.

    Mutter und Tochter ähneln sich immer mehr in ihrem Gesichtsausdruck.

    Eines Tages fängt sie die dick und fett gewordene Ratte. Im Gegensatz zu ihrer routinierten Mutter gelingt es ihr nicht, das Tier zu verbrühen. Es sieht fast so aus, als ob die Ratte stärker ist als das Mädchen, das zu weiteren Methoden greift. Schließlich hält sie die Metallkeule zum Zerschlagen der Eisblöcke in der Hand. Während der ganzen Zeit klopfte ein Schulkamerad an ihre Tür – von ihr unbemerkt, denn sie konzentrierte sich vollkommen auf ihren Kampf – die er auftritt und ins Zimmer stürmt. Diese Öffnung nutzt die Ratte zum Entkommen. Das Mädchen schlägt mit unbeteiligtem Gesicht voller Wucht auf den Jungen ein, bis er in einer roten Lache liegt. Fliegen stürzen sich auf sein Blut.
    Schnitt – Schussszene: Das Mädchen sitzt mit versteinerter Miene, nach innen gekehrtem Blick im Café und zerhackt Eis – wie sie vorher auf den Jungen eingehackt hat

    Verstört lassen Stephanie Lansaque und Francois Leroy die Zuschauer zurück.

    Das Gesicht des zarten Mädchens mit den großen traurigen Augen bleibt noch lange gegenwärtig. Dieser Film klagt weder an noch beschönigt oder erklärt er etwas. Er zeigt den seelischen Zustand eines Menschen, der nicht mehr in der Realität lebt, sondern nur noch funktioniert.
    Café Froid (Eiskaffee) Animationsfilm von Stephanie Lansaque, Francois Leroy / Frankreich / 09/2015 / 00:14:44 min.


    Trickfilm:

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  • ♀ Theatertipp: Tür auf Tür zu – So gesehn ist drinnen draussen in der Tri-Bühne in Stuttgart

    ♀ Theatertipp: Tür auf Tür zu – So gesehn ist drinnen draussen in der Tri-Bühne in Stuttgart

    tuerauf.glatzederUnter ad4ba1ce2c7549d98e45c211351ca34ddem Motto: „Quo vadis, Europa?” steht 2012 das Stuttgarter Europa Theater Treffen (SETT). „Tür auf Tür zu“ von Ingrid Lausund behandelt das Problem einer Frau um die Fünfzig, von mitten-im-Berufsleben bis zur Dauerarbeitslosigkeit. Trotz des ernsten Themas versauern die Zuschauer nicht, denn Situationskomik sorgt immer wieder für Lacher.

    Heiterkeitserfolge am laufenden Band erzielt Robert Glatzeder, der sogar einen ganzen Chor darstellt – notgedrungen, denn als einziger ist er als 400-Euro-Jobber übrig geblieben. Engagiert wurde er, um ein bisschen Gitarre zu spielen und jetzt muss er hier fast alles alleine machen!

    Sie kommen ohne Requisiten aus. tuerauf.matzEine muffige, erblondete Spaßbremse (Hildegard Schroedter) auf einem Stuhl außerhalb des Bühnenkreises. Die Tür (Matthias Matz, bebrillter Beamtentyp, emotionslos wie ein Wagenschlag – bis auf einige amüsante Ausnahmen) wird bald eine Hauptrolle spielen; steht die meiste Zeit stoisch da und verkündet: „Tür auf“ oder „Tür zu“. Angeregt wird die Fantasie der Zuschauer durch den gut gelaunten Erzähler Robert Glatzeder, der genau beschreibt, wer die Tür passiert. Dicke und dünne Männer in Anzügen oder leger mit tätowiertem Totenkopf. Frauen mit besonderem Outfit und eine alte Dame, die es kaum hineinschafft und zwischendurch noch andere vorlässt. Hinter jeder Person geht die Tür zu. Vor jeder Person tönt ein „Tür auf“ des Türstehers.

    Ein Mann (Robert Glatzeder) und eine Frau um die Fünfzig (Hildegard Schroedter) begegnen sich immer wieder, in wechselnden Rollen. Sie üben sich in Smalltalk, während sie nach rechts und nach links grüßen. Die Frau geht nur kurz hinaus und … kommt nicht mehr hinein. Der Türsteher sagt ihr stereotyp auf alle ihre Einwände: „Die Tür ist zu!“ Am Anfang hält sie es noch für eine Verwechslung. Sie flucht und droht ihm, wenn er sie nicht hineinlässt. Einige kommen heraus, reden mit ihr oder werden von ihr angesprochen. Ganz selbstverständlich gehen sie wieder hinein, während sie draußen vor der Tür bleibt – bleiben muss. Sie martert sich das Hirn, weil sie nicht weiß, wem sie auf den Schlips getreten ist. Ob sie ihren Vorgesetzten beleidigte, oder sind es ihre blond gefärbten Haare?

    tuerauf.schroedterSie will keine Hilfe! Als sie schließlich jemanden um Hilfe bittet, mag er ihr nicht helfen. Sie steht draußen, während alle möglichen Leute – Männer natürlich – unproblematisch ein und ausgehen. Noch sagt sie sich, dass sie viel kann, weiß und überhaupt derart kompetent und damit einfach unentbehrlich ist. Je länger dieser Zustand des Ausgegrenztseins dauert, umso verzweifelter werden ihre Versuche, wieder durch die Tür zu kommen. Der Türsteher bleibt bei: „Die Tür ist zu!“ Er lässt sich nicht bestechen oder durch Erotiktanz (supersexy und zum Glucksen 😉 ) verführen. Es nützt auch nichts, ihm in den Allerwertesten zu kriechen – dafür gibt sie sich in einem längeren Monolog die Erlaubnis, vorher ging so etwas total gegen ihre Prinzipien.

    Sie begegnet anderen Außenseitern in den verschiedenen positiven, sich selbst aufbauenden und total depressiven Entwicklungsphasen. Sogar ein Wink des Himmels trifft leider immer nur die anderen. Am Ende liegt sie nur noch im Bett und träumt. Sie träumt von sich als Koryphäe, die alles hinter sich lässt, was sie bisher geärgert hat. Sie kauft sich ein schönes Kleid für einen Date mit der Bundeskanzlerin. Im nächsten Schritt macht sie alle fertig, die sie geärgert haben – das sind eine ganze Menge. Am Schluss liegt sie nur noch im Bett – sie kapselt sich ab und öffnet nicht einmal die Tür.

    Hervorragend Hildegard Schroedter als selbstbewusste, voll im Berufsleben stehende Arbeitnehmerin. Am Anfang ist sie wütend und genervt, weil sie draußen steht und nicht mehr hereinkommt. Sie spielt die ganze Palette durch bis zu völligen Depression.
    Robert Glatzeder ist es zu verdanken, dass die Vorstellung termingemäß beendet wird. Er muss pünktlich Feierabend machen, um rechtzeitig zu seinem nächsten Job ins Callcenter zu gelangen.

    28. November 2012
    Theater Tri-Bühne, Stuttgarter
    lausundproductions, Berlin / Theater Duisburg
    Inszenierung: Ingrid Lausund
    Darsteller: Hildegard Schroedter, Robert Glatzeder und Matthias Matz

    Arbeitslos:

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