Die bedeutende archäologische Landesausstellung trägt den Titel „The Hidden Länd – Wir im ersten Jahrtausend“, was übersetzt so viel bedeutet wie „Das verborgene Ländle“. Hier sind die UmdieEckedenker gefragt. Die Schwaben sind bekanntlich erfinderisch und haben es sofort durchschaut. Ich muss gestehen, dass ich den Titel falsch gedeutet habe – na ja, als Nei’gschmeckte.
„The hidden Länd“ bezieht sich auf das Erdreich unter dem schwäbischen Grund und Boden – so was wie Mittelerde. Das besagt auch der Untertitel: „Wir im ersten Jahrtausend“. Die Schätze, die hier ausgestellt sind, lagen einst verborgen unter dem Boden von Baden-Württemberg, zumindest für Normalos unsichtbar. Sie wurden bei Bauarbeiten entdeckt und von Archäologen freigelegt.
Krönungsschwert mit einer Scheide aus purem Gold
Mein Lieblingsstück in dieser Ausstellung ist das Krönungsschwert mit einer Scheide aus purem Gold. Genau so wurde es bei Krönungszeremonien getragen. Der König oder Kaiser hielt es als Zeichen seiner Macht in den Händen, wie es auf verschiedenen Abbildungen zu sehen ist.
Goldenes Krönungsschwert – Dr. Gabriele Graenert erklärt mehr dazu.
Obwohl dieses Schwert perfekt ist, handelt es sich nicht um das Original. Das steht in Wien und wird nicht verliehen. Diese Abfuhr mussten vor über 100 Jahren schon die Aachener erfahren, die meinten, dass das Schwert eher nach Aachen als nach Wien gehöre. Also in die Stadt, in der Karl der Große gekrönt wurde. Schlau, wie sie waren, ließen sie diese Schmach nicht auf sich beruhen und ließen sich genau so ein Schwert mit der gleichen Hülle noch einmal schmieden. Es gleicht punktgenau dem Original – sogar die Gebrauchsspuren sind im Gold vorhanden. Die Darstellung der Könige sind ins Blattgold gepunzt. Darunter eine Schicht aus Email. Und jetzt ist dieses Prunkstück in Stuttgart zu besichtigen.
Kunstgebäude Stuttgart: Geheimnisse des ersten Jahrtausends
Der Grabstein, das älteste Fundstück: Ein Landwirt entdeckte diesen Stein beim Pflügen seines Feldes. Und da ein Stein von der Größe einer Tischplatte und der Stärke einer gut isolierten Hauswand den normalen Arbeitsablauf stört, brachte er ihn auf seinem Hänger nach Hause und nutzte ihn als Abstellfläche.
Für die Archäologen eine Sensation, denn dieser rund 2.000 Jahre alte Grabstein zeigt den Übergang vom Suebenfürst (Vater) zum Verwalter (Sohn) des Römichen Reiches. Wie viel Überzeugungsarbeit bei diesem Wandel nötig war, ist nicht überliefert.
Der Grabstein ist das älteste Teil in einer Reihe von Funden, die von der Stunde Null unserer Zeitrechnung bis zum Jahre 1.000 reicht. Eingeteilt sind die Zeiten in Abschnitte von 200 Jahren, in denen sich Entwicklungen zeigen, die uns bis heute beeinflussen.
Dieser Stein gehört zu den ältesten Stücken in der Ausstellung, das Schwert zu den jüngsten. Zeitlich zwischen diesen beiden Ausstellungsstücken sehen wir im nächsten Raum eine römische Marktstraße aus dem 3. bis 4. Jahrhundert.
Erhalten geblieben aus dieser Zeit ist ein Schmuckset, bestehend aus Gold und Lapislazuliwalzen. Diese Halsketten stammen nicht etwa aus der Auslage eines Stuttgarter Goldschmiedes, sondern wurden im Jahr 305 n. Chr. im heutigen Isny vergraben.
Grabbeigaben bieten genügend Raum für eigene Geschichten
Das 5./6. Jahrhundert wird repräsentiert von Funden aus dem Gräberfeld von Laupheim. Anhand der Grabbeigaben können die Archäologen erkennen, wie das gesellschaftliche Leben untereinander funktionierte.
Da keine schriftlichen Zeugnisse vorhanden sind, bleiben die Gegenstände, wie sie im Grab gefunden wurden. Und der Rest ist freie Interpretation. Genau so reagierten die Autoren der Netflix-Serien. Für fantasiebegabte Menschen sind solche Lücken in der Geschichte eine Fundgrube für eigene Geschichten.
Wer hätte gedacht, dass im 7./8. Jahrhundert die erste christliche Kirche erbaut wurde? In der Ausstellung sind die Umrisse im Originalmaßstab aufgebaut – zumindest so, wie die Rechnungen es ergeben haben. Die Kirche selbst war ein Fundament für den späteren Kirchenbau, der praktischerweise darauf errichtet wurde.
Waren die Sueben Bauern oder Krieger?
Über das Volk der Sueben weiß man zwar, dass es hauptsächlich Bauern gewesen sein mussten, denn die gefundenen Gegenstände rund um die Häuser herum lassen darauf schließen. In den Gräbern findet man hauptsächlich Schwerter andere Kriegswaffen, die den Verstorbenen als Krieger zeigen sollten. Das Problem ist, dass es gar nicht so viele hauptberufliche Krieger gegeben haben kann, wie nach den Gräbern zu vermuten ist. Also gehen die Archäologen davon aus, dass dort eher ein Wunschdenken zu Grabe getragen wird.
Keiner weiß es so genau. Es könnte doch auch so sein, wie in den Netflix-Serien beschrieben. Auf jeden Fall bleibt genügend Raum für die eigenen Interpretationen.Waren die
9./10. Jahrhundert – Jahrhundert der Macht
Im 9./10. Jahrhundertkonzentrierte sich die Macht der Herrschenden an einigen Orten, wie das Krönungsschwert zeigt.
Wie die Ausstellung zu ihrem Namen kam
Laut den Ausstellungsmachern war die Namensfindung ein langer Prozess. Es ist also kein Wunder, dass man am Schluss zum weit entferntesten Titel zurückgegriffen hat – oder wurde am Ende etwa gewürfelt, um dieses Verfahren doch noch abzuschließen?
Große archäologische Landesausstellung im Kunstgebäude Stuttgart
„The hidden Länd – Wir im ersten Jahrtausend„
13.09.2024 – 26.01.2025
Wissenschaftliche Projektleitung: Dr. Gabriele Graenert, LAD und Dr. K. Felix Hillhuber, ALM
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