Blumenbilder dienten in früheren Zeiten dazu, Botanikern oder Apothekern beim Erkennen der Pflanzen zu helfen. Sie sind von größter Genauigkeit, alle Pflanzenteile werden berücksichtigt. Heute verstehen wir sie als kleine Kunstwerke, denn die Formen und Farben der Blumen verführen zum Träumen.
Es flüstern und sprechen die Blumen – Mohn
Es geht eine Faszination von Pflanzen aus, der sich keiner so leicht entziehen kann. Wie der Kurator Karl-Heinz Göttert in diesem Büchlein schon bemerkt, sprechen Maler und Lyriker eine andere Sprache. Sie achten auf unterschiedliche Dinge, aber es gibt Parallelen. Verständlich sind die Gedichte, die genau die Pflanzen beschreiben. Der Vers von Gustav Falke, aus einem dunklen Tann herauszutreten und ein rotes Mohnfeld zu erblicken. Ein Aha-Erlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt, bis der Dichter selbst nicht mehr weiß, ob es Wirklichkeit oder Traum war.
Es flüstern und sprechen die Blumen – Vergissmeinnicht
Oder Anette von Droste-Hülshoff, die ihrer Lieblingsblume ein Gedicht widmet – dem Vergissmeinnicht. Eine der ersten Blumen im Jahr mit über hundert Blüten – dicht an dicht. Und dann die Farbe. Je nach Bodenverhältnissen blüht es erst himmelblau, in der Mitte ein gelbes Auge. Wenn es verblüht, verblassen die Farben. Eine lebendige Blume, die zum Gedanken Nachhängen anregt. Sie kommt plötzlich, steht unübersehbar allein da. Sobald sie verblüht, bemerkt es kaum jemand, denn inzwischen blühen viele Blumen mit weitaus opulenteren Blüten.
Es flüstern und sprechen die Blumen – Brennnessel
Mit der Brennnessel, dieser bescheidenen Pflanze, befassen sich neuzeitliche Dichter. Früher hätte niemand ein Gedicht auf das Unkraut geschrieben. Peter Hacks zieht in seiner „vernunftreichen Gartenzüchtung“ als Fazit ein Loblied auf die Kartoffel: „nur was nützt, ist vollkommen schön“
Es flüstern und sprechen die Blumen – Schlüsselblume
Dichter und Maler in frühen Jahrhunderten waren anderer Meinung. Sie priesen die Schönheit, die Farben und den Duft der Pflanzen, die eben nur schön und bunt waren und entzückend dufteten – ganz außer einem Nutzen für den Menschen. Die Zeichnungen sind Augenschmeichler, auch ohne Gedichte. Gerade die feinen Äderchen der Blätter, die drallen Rundungen der Blüte, die Schwünge der Stängel reizt zum genauen Hinsehen. Eine Schlüsselblume mit ihrer Blattrosette, die aussieht wie vom Wind zerzaust. Der Stiel federt mit einem leichten Schwung in die Höhe. Genau die leichte Biegung, die das Gewicht der Blütendolde bei Regen und Sturm aushalten muss. Die Blüten sprießen aus der Röhre wie aus dem Hals einer Vase. In sämtliche Richtungen schwingen sich die dünnen Stiele, mit jeweils einer Blüte als Endpunkt. Von Knospen bis fast zum Verblühen reichen die Blütenstadien. Und weil diese Zeichnung von Maria Sibylla Merian stammt, dürfen Tiere nicht fehlen. Ein Schmetterling und eine Libelle umschwirren die Schlüsselblume. Selbst hier ist jedes Detail getreu gemalt von den Fühlern bis zum gegliederten Schwanz. Ich persönlich bringe diese Bilder eher mit Musik zusammen als mit Gedichten.
Bucheinband schmeichelt den Fingern
Ein dunkelgrüner Leineneinband, dessen Struktur die Fingerspitzen kitzelt. Die eingekerbte goldene Schrift ertasten. Oben rechts ein glänzendes Bullauge, glatt wie Glas, durch das eine Tulpe in einer anderen Welt dahinschwebt.
Und noch liebenswertes Detail der Buchbinderarbeit – der Falz zwischen Buchrücken und Buchdeckel. Im aufgeklappten Zustand machen sich die Dehnungsfugen schmal, beim geschlossenen Buch sind die Rillen zu sehen und zu fühlen. Dieses Gefühl, ein Buch ins Regal zu stellen, ist gänzlich anders als beim Taschenbuch.
Es lebe das Handwerk!
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»Es flüstern und sprechen die Blumen«: Eine Blütenlese in Bild und Gedicht
»Es flüstern und sprechen die Blumen«: Eine Blütenlese in Bild und Gedicht
ISBN-13 : 978-3150112038
Herausgeber : Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag
Blumenmalerinnen:
- Blumenmalerei von 1600 – 1725 mit Schwerpunkt Malerinnen im Mauritshuis in den Haag. Kostbarkeiten der Zeit: Tulpen, chinesische Vasen, Pfirsiche, Schmetterlinge, Raupen …
- Blumenbilder dienten früher dazu, Botanikern oder Apothekern beim Erkennen der Pflanzen zu helfen. Heute verführen die Formen und Farben der Werke zum Träumen.
- Pro Doppelseite stehen sich Pflanzenbilder aus verschiedenen Zeiten, Kulturkreisen, Materialien gegenüber. Sie passen entweder zusammen oder zeigen Gegensätze an. Seit es Menschen gibt, die Pflanzen nutzen, veranschaulichen sie es in Abbildungen – seit 3000 Jahren. Die Art der Darstellung wandelt sich ebenso wie das Verhältnis zu Pflanzen. Ob sie als Lebensmittel, Heilmittel, Rauschmittel, oder wegen […]
- Meinen Bücherstapel arbeite ich chronologisch ab. Demnächst wartet „Flora“ auf eine Rezension. Dieses Buch muss ich öfters in die Hand nehmen. Es dauert also noch etwas mit einem Beitrag. Blumenbilder aus 3.000 Jahren – Faszination Natur Ungewöhnlich, denn nach dem ersten Durchblättern scheinen die Bilder seltsam geordnet. Nicht nach Epoche oder Thema, sondern nach Ähnlichkeiten. […]
- Renate Hücking stellt in diesem aufwendigen Bildband 15 Blumenmalerinnen aus vier Jahrhunderten vor, jede mit ihrer individuellen Sicht auf Blumen, Früchte, Kräuter und teilweise auch Insekten wie Schmetterlinge und ihre Larven. Von dem Format des Bildes (24,5 x 34,5 cm) her sind die Früchte wohl in Originalgröße gezeichnet. Kirschen, gebettet auf Blätter, die anscheinend nicht […]