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☛ Potsdam: Barberini-Museum und Filmstadt Babelsberg

Verblüffende Parallelen in Potsdam. Ein Film von Muck Van Empel und ein Gemälde von Max Beckmann – erlebt im Filmfestival „Sehsüchte“ und im Barberini☛ Potsdam: Barberini-Museum und Filmstadt Babelsberg | Kulturmagazin 8ung.info-Museum.

Max Beckmann war entzückt von der Welt des Theaters, Zirkus‘, Varietés.

Max Beckmann im Barberini-Museum
Max Beckmann-Ausstellung im Barberini-Museum

Besonders liebte er die Gaukler und Straßenkünstler. Ein auffallendes Bild zeigt ein Gauklerpaar. Ein Mann packt mit harten Händen eine Frau, als wäre sie ein Kartoffelsack. Sie hängt schlaff über seiner Schulter, mit dem Kopf nach unten. Abgerissene Kleidung, Haare offen, Augen geschlossen, sieht sie aus, als hätte sie einen Kampf verloren.
Mit einer Hand hält er ihr rot bestrumpftes Bein mit der zerrissenen Unterhose. Mit der anderen Hand hängt er sich mit seinem muskulösen Oberarm in ihre Kniebeuge. Sein Gesicht zeigt Siegerpose, als trüge er ein Stück erlegtes Wild.

Max Beckmann soll das Bild nach dem Film „Apachentanz“ (1934) gemalt haben.

Apachentanz im Barberinimuseum
Film „Apachentanz“ im Mediencenter des Barberini-Museums

Der Film spielt in einer Kneipe im Ganovenmilieu. Die Szene zeigt ein Ballett – jedoch nicht den liebreizenden Spitzentanz im Schwanensee, sondern ein brutales hin- und herwerfen. Vorläufer des „Modern Dance“, wie es später Pina Bausch perfektionierte.
Ein Zuhälter versucht, einer Prostituierten einen Geldschein abzunehmen, den sie sich vorher im Höschen versteckte. Sie wehrt sich nach Kräften, bis es in einer Prügelei endet. Fast sieht es so aus, als hätte sie den am Boden liegenden Hünen besiegt. Im Endeffekt jedoch liegt sie am Boden. Er schmeißt die Leblose wie einen Sack über seine Schulter und trägt sie zum Entsetzen der Gäste hinaus.
Diese letzte Szene hat Beckmann derart fasziniert, dass er sie malte. Ebenso fasziniert sein Bild die Museumsbesucher. Sie bleiben verdutzt davor stehen und halten inne, um die Arme, Beine, Hände, Körper zu sortieren.

Genau dieses Milieu thematisiert der Film „Zalig zijn de Onwetenden“ im Filmfestival „Sehsüchte“ in Babelsberg.

Szenenfoto aus dem Film "Zalig zijn de Onwetenden"
Szenenfoto aus dem Film „Zalig zijn de Onwetenden“

Zirkusartisten, umgeben von Wohnwagen, Jahrmarkt und Zirkuszelt. Lola – schön, jung, selbstbewußt – absolviert Abend für Abend das gleiche Programm. Sie schminkt sich auffällig, zieht ein glitzerndes Kleid an, schreitet von ihrem Wohnwagen ins Zirkuszelt und stellt sich in der Arena vor eine überdimensionale Zielscheibe. Ihre ausgebreiteten Arme steckt sie in Schlingen am Rande des Kreises. Unter lautem Trommelwirbel schießt die Messerwerferin spitze Messer in die Scheibe, dicht neben ihren Kopf. Atemlose Stille. Bei jedem Einstich schließt Lola die Augen, sodass ihre glitzernden Augenlider im Scheinwerferlicht medienwirksam funkeln.
In ihrer freien Zeit außerhalb ihrer Show fühlt Lola sich vom Rummelplatz angeödet. Sie nimmt sich, was sie haben will. Will sie Sex, schaut sie in die Runde und bedeutet dem Mann ihrer Wahl mit einer herrischen Kopfbewegung, ihr zu folgen. Sofort löst sich jener Y-Chromosom-Träger aus der Gruppe und folgt ihr. Die Langeweile ertränkt sie im Alkohol. An der Schießbude perfektioniert sie ihren Umgang mit dem Gewehr, das sie routiniert lädt wie ein Flintenweib im Wildwestfilm.
Ihre Lustlosigkeit wandelt sich zu Aufmerksamkeit, als ein blinder Trompeter in die Zirkuskapelle einsteigt. Er beachtet sie nicht; tanzt nicht nach ihrer Pfeife. Lola ist gekränkt, gleichzeitig total fasziniert von seiner Musik. Sie kommen sich näher. Lola legt ihre Ruppigkeit ab, er wird mutiger. Ungewollt kränkt sie ihn und es sieht fast so aus, als wäre diese zart aufkeimende Liebe zerbrochen – fast!

Hier unterscheidet sich der Film vom Beckmann-Bild.

ZALIG ZIJN DE ONWETENDEN
Netherlands, 2017 | Regisseur – Muck Van Empel, Drehbuch – Nena Van Driel

 

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