Spielfreudige Sänger, glänzend bei Stimme, in Verbindung mit einem herausragenden Orchester. Ein romantisches Bühnenbild, Kostüme wie aus den Gemälden alter Künstler – das bieten die Meistersinger von Nürnberg in der Inszenierung von Barrie Kosky bei den Bayreuther Festspielen 2017.
Mitten im Salon von Richard und Cosima Wagner spielt die Oper.
Auf der Bühne (Rebecca Ringst) steht der Salon des Hauses Wahnfried – einschließlich Bücherschrank und Seidentapete – den alle Wagnerianern kennen. Ein gut gelaunter Richard Wagner tritt ein, gekleidet mit Barrett, weißer Hose, Samtjacke mit Seidenbesatz und Seidenfliege, wie wir ihn von Bildern kennen. Seine beiden Hunde führt er an der Leine, gefolgt von Boden wischenden Stubenmädchen.
Cosima pflegt ihre Migräne, denn sie erwarten ihren Vater Franz Liszt sowie den Dirigenten Herrmann Levi. Mit Eigentümlichkeiten des Komponisten – wie dem Klavierspiel in Konkurrenz mit seinem Schwiegervater – vergeht das Vorspiel. Lacher erklingen bei Wagners Extravaganzen.
Fließend verläuft der Übergang von Franz Liszt zu Veit Pogner (Günther Groissböck mit behäbigem Tonfall in der Stimme, wie es sich für einen altehrwürdigen Prinzipal gehört). Cosima stellt sich um zu seiner Tochter Evchen (Anne Schwanewilms). Richard Wagner wird zu Hans Sachs (stimmgewaltiger Michael Volle, melodisch von Anfang bis zum feierlichen Schluss). Hermann Levi wechselt zum Beckmesser (Hans Martin Kränzle entwickelt sich vom überheblichen zum gedemütigten Eigenbrötler).
Klavier mit unbeschränktem Fassungsvermögen.
Mit Getöse klappt der Deckel des Flügels auf. Heraus kommen Richards, von sehr jung bis mittelalt. Einer davon entpuppt sich als der ankommende Walter von Stolzing (Klaus Florian Vogt), der Cosima/Evchen den Hof macht. Der andere mutiert zu David (schwärmerischer Daniel Behle), dem Schustergesellen, der davon träumt, selbst einmal Meister zu werden.Ebenfalls dem Flügel entsteigen die Meister, jeder ein Original. Sie tragen ähnliche Kostüme (Klaus Bruns), wie Wagner sie für seine Uraufführung entwerfen ließ. Viel Samt, viel Seide, bestickte Ärmel, Knickerbocker mit bequemen Faltenstreifen, Goldketten. Sämtliche Honoratioren führen ein Eigenleben, von immerhungrig bis geltungssüchtig, sich vordrängelnd, anbiedernd, mit Schubsen, Lachen, Kichern. Der Schluss des Aktes nimmt fast die Prügelszene voraus.
Grüne Wiese statt dunkle Schusterstube.
Begrenzt wird der mit Unkraut umsäumte Wiesengrund von getäfelten Wänden. Hans Sachs führt vertrauliche Dialoge. Klaus Florian Vogts unverwechselbare Stimme kommt als Stolzing vollumfänglich zur Geltung. Evchen übertreibt als hüpfendes Mädchen; mag ein Ausdruck von Verliebtheit sein. Beckmesser grübelt einen passenden Schlachtplan aus.
Der dritte Akt sorgt für Überraschung.
Das Bühnenbild zeigt den Gerichtssaal der Nürnberger Prozesse. Sollte jetzt etwa nach dem bezaubernden Musiktheater ein GeschichtsAufarbeitungsVersuch starten?
Schnarch!
Stattdessen jedoch füllen sich die Bänke mit Nürnberger Bürgern, gekleidet im Stil des 16 Jahrhunderts. Sie stellen das Publikum für den Sängerwettstreit dar. Jedes Kleid, jeder Wams, jede Kappe ein Unikat. Eine Augenweide für Sehleute.
Beckmesser und Stolzing treten als Konkurrenten gegeneinander an. Hörbar die beiden Pole von Will-und-kann-nicht und Lieblichkeit. Der Sängerwettstreit endet mit der Siegerehrung, dem großen Auftritt des Chores.
Der Clou kommt noch.
Als Hans Sachs das berühmte Meisterlied anstimmt, wird er von allen Mitwirkenden verlassen. Nur das Orchester im Graben begleitet ihn weiter – irgendwie traurig. Langsam hebt sich die Rückwand. Von weit hinten kommt ein Podest in Bühnenbreite gefahren. Vorn sitzt ein Orchester mit singenden Streichern, in der Mitte ein paar Bläser zur Verstärkung, hinten der Chor. Nicht in Samtjacken mit Puffärmeln, sondern wie im Oratorienkonzert die Damen in schwarzen Kleidern, Herren in Anzügen. Die Musik wird lauter, je näher sie kommen. Die Meistersinger gelten allgemein als Choroper. Das hat der Festspielchor unter der Leitung von Eberhard Friedrich bis zum Schluss mit seiner Darstellung und dem Gesang bewiesen.
Mit Pathos endet die Oper, wie es Wagner beabsichtigt hat.
Bayreuther Festspiele 2017: Die Meistersinger von Nürnberg, komische Oper von Richard Wagner
Musikalische Leitung – Philippe Jordan
Regie – Barrie Kosky
Bühne – Rebecca Ringst
Kostüm – Klaus Bruns
Chorleitung – Eberhard Friedrich
Dramaturgie – Ulrich Lenz
Licht – Franck Evin
Besetzung am 25. Juli 2017
Hans Sachs, Schuster – Michael Volle
Veit Pogner, Goldschmied – Günther Groissböck
Kunz Vogelgesang, Kürschner – Tansel Akzeybek
Konrad Nachtigal, Spengler – Armin Kolarczyk
Sixtus Beckmesser, Stadtschreiber – Johannes Martin Kränzle
Fritz Kothner, Bäcker – Daniel Schmutzhard
Balthasar Zorn, Zinngießer – Paul Kaufmann
Ulrich Eisslinger, Würzkrämer – Christopher Kaplan
Augustin Moser, Schneider – Stefan Heibach
Hermann Ortel, Seifensieder – Raimund Nolte
Hans Schwarz, Strumpfwirker – Andreas Hörl
Hans Foltz, Kupferschmied – Timo Riihonen
Walther von Stolzing – Klaus Florian Vogt
David, Sachsens Lehrbube – Daniel Behle
Eva, Pogners Tochter – Anne Schwanewilms
Magdalene, Evas Amme – Wiebke Lehmkuhl
Ein Nachtwächter – Georg Zeppenfeld
Die Meistersinger von Nürnberg:
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