Edmondo de Amicis schrieb diesen Roman 1892, also vor über 120 Jahren. Wäre dieses Buch ein historischer Roman aus heutiger Sicht, würde ihn wohl keiner ernst nehmen.
Wahrscheinlich verstehen wir vieles nicht mehr. In diesem Buch sind kleine und große Spitzen enthalten, die auf die italienische Gesellschaft der damaligen Zeit zielen. Heutige Leser bekommen nur noch einen Bruchteil davon mit, denn alles in diesem Roman ist überspitzt. So wird der Gymnastik die zentrale Rolle in Schule und Gesellschaft zugewiesen. Wofür sie wohl gestanden haben mag?
Gymnastik soll laut einer resoluten Lehrerin gegen alles Übel dieser Welt helfen. Es soll bei Krankheiten aller Art heilen, den Geist stärken, die Konzentration fördern und alles Mögliche erwirken, was es sonst noch so gibt. Vertreten wird diese Linie von einer jungen, hübschen Lehrerin. Die kennt kaum etwas außer ihrer Berufung, Sie ist beseelt von dem Gedanken ihrer Mission, ganz Italien mit Gymnastik zu beglücken. Im Übrigen scheint es in Italien zu der Zeit weitaus mehr Lehrerinnen als Lehrer gegeben zu haben. Die stehen durchaus gleichberechtigt neben ihren männlichen Kollegen.
Diese Gymnastiklehrerin hat sogar ganz besondere Gaben. Sie formuliert zusammen mit einem weiteren Lehrer Artikel über die Omnipotenz der Gymnastik, die der Lehrer unter seinem Namen veröffentlicht. Insider wissen, dass sie die weitaus Klügere und Sportlichere ist.
So viel Können weckt sowohl Neid bei einigen ihrer Kolleginnen, aber auch Bewunderung bei den Herren der Schöpfung. Besonders beim jungen Hausverwalter, der hat sich unsterblich in sie verliebt. Eifersüchtig hält er alle Nebenbuhler fern, wie zum Beispiel einen jungen Studenten. Der Hausverwalter liebt alle ihre Eigenschaften. Er bewundert ihre Figur, er bewundert ihre intelligenten Vorträge, mit denen sie die Gymnastik gegenüber allen Skeptikern verteidigt. In seinem Liebeswahn geht er sogar so weit, dass er sich zum Gespött der Leute macht. Alle, außer seiner Angebeteten, merken seine blinde Verliebtheit. Er betet sie an, sie merkt vor lauter Missionsdrang nicht davon.
Auf dem Schulkongress werden die verschiedenen Parteien und Strömungen wild debattiert. Hier steht Gymnastik gegen Handarbeit. Wenn aus Papierbändern Körbe geflochten werden, hat es für die Befürworter den gleichen therapeutischen Effekt wie die Gymnastik. Außerdem sieht man hinterher ein Ergebnis. Dagegen setzt sich die Gymnastiklehrerin mit einem viel bejubelten Vortrag zur Wehr …
Dieser Teil zielt haargenau auf die parlamentarische Auseinandersetzungen hin. Es geht um nichts Geringeres als des Kaisers Bart. Nichtigkeiten, über die sich die Abgeordneten in die Wolle kriegen.
Liebe und Gymnastik: Roman von Edmondo de Amicis| Manesse Verlag
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