St. Annen Museum in Lübeck zeigt 600 Jahre alte Gewänder. Mäntel aus Hoch/Tief-Brokat. Borten aus Seide(!), mit Silber- und Goldfäden bestickt. Umhänge, getragen zu hohen Kirchenfesten. Die kostbarsten Stoffe, die im Mittelalter entstehen können. Und alle sehen wie neu aus, fast wie neu. Ist das auf die Qualität zurückzuführen? Jein.
- Wer kann sich Seidenbrokat und Stickereien aus Gold- und Silberfäden leisten?
- Jahrhunderte Lagerung in der Kirchenmauer
- Der 2. Weltkrieg kommt immer näher an Danzig heran.
- Wer hat die Borten gestickt und die Brokate gewebt?
- Wer kennt die Vorgeschichte der eingemauerten Gewänder?
- Zeichen der Freimaurer
- Nicht nur Mörtel und Bauwerkzeuge werden in die Kirche gebracht.
Wer kann sich Seidenbrokat und Stickereien aus Gold- und Silberfäden leisten?
Es sind die Kirchenfürsten der Marienkirche zu Danzig. Diese Kostbarkeiten zahlen die Kirchenfürsten vermutlich nicht aus der eigenen Schatulle. Die Umhänge werden von reichen Danziger Kaufleuten der Hanse gestiftet. Sie erhoffen sich damit, dem Gang zum Fegefeuer zu entgehen. Denn: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“
Jahrhunderte Lagerung in der Kirchenmauer
Wer die kostbaren Talare eingemauert hat und warum, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Über Jahrhunderte bleiben die Mäntel verschollen. Niemand weiß von ihrer Existenz. Die prachtvollen Paramente werden bei Renovierungsarbeiten in der Danziger Marienkirche entdeckt – eingemauert in Hohlräume der dicken Kirchenmauer.
Die Mäntel werden jahrzehntelang zwar nicht zu Gottesdiensten verwendet, aber als Kirchenschatz gehütet, gepflegt und ausgestellt.
Der 2. Weltkrieg kommt immer näher an Danzig heran.
Die Danziger packen zusammen, was sie schleppen können, und machen sich auf den Weg nach Westen. Fort von den russischen Eroberern, die als besonders brutal gelten. Und in dieser Notsituation schafft es ein Pastor der Marienkirche, die einzelnen Mitglieder seiner Gemeinde zu mobilisieren. Jede Familie bekommt einen Mantel in Obhut. Neben dem persönlichen Notgepäck bringen sie über 100 der kostbaren Gewänder in Sicherheit. Mensch bedenke, dass Privatautos oder Lastwagen noch kaum eine Rolle spielen. Die Flucht findet mit Schiffen, Viehwaggons, Pferdefuhrwerken oder zu Fuß statt. Die Bürde, die sich die Gemeindemitglieder mit den Gewändern auferlegt haben, lohnt sich. Ein großer Teil der Gemeinde findet sich in der Hansestadt Lübeck wieder. Der Danziger Pastor sammelt nach dem Krieg die wertvollen Mäntel ein und bewahrt sie in einer Lübecker Kirche auf. Noch heute existiert dort eine große Danziger Gemeinde, die diese Mäntel als Dauerleihgabe dem St. Annen Museum übergeben hat.
Wer hat die Borten gestickt und die Brokate gewebt?
Borten mit christlichen Motiven zieren die Gewänder. Eine kunstvolle, feine Stickerei, gefertigt aus Goldfäden, dünnen silbernen Drähten und gefärbtem Seidengarn.
Aus meiner Erfahrung als Handwerkerin traue ich diese feine Arbeit keinem Mann zu. Es müssen junge Frauen sein, die schon genug Übung mit dem Material haben, deren Finger aber noch gelenkig sind. Bei den feuchten Klimaverhältnissen an der Ostsee ist es nur eine Frage der Zeit, wann sie Rheuma und/oder Arthrose ereilt.
Die komplizierten Brokatstoffe dagegen sind eindeutige Männerarbeit, denn sie kosten Muskelkraft. Schon den Webstuhl einzurichten dauert seine Zeit. Für jede Farbe und jede Stoffhöhe werden die Fäden zu Gruppen zusammen gefaßt. „Ziehjungen“ sorgen dafür, dass sie nicht durcheinander geraten. Äußerste Konzentration der Weber ist die Voraussetzung, um die Brokat-Weberei mit derart kostbarem Material herzustellen. Fehler dürfen den Webern nicht unterlaufen – obwohl doch kleine Webfehler einen Stoff lebendig machen.
Wer kennt die Vorgeschichte der eingemauerten Gewänder?
Wann, wie und warum wurden diese Gewänder eingemauert? Wer kam auf diese geniale Idee?
Keine weiß es, aber die Fantasie bekommt Flügel und fliegt zurück in die Reformationszeit, in der die Protestanten die Kirchen stürmen. Allen voran die Krawallmacher, die überall dabei sind, wo es scheppert. Die unter dem Deckmäntelchen religiösen Eifers ihrer Zerstörungswut freien Lauf lassen können. Sie reißen die vergoldeten Bilder von den Wänden und zerstören alles, was nach Prunk und Protz aussieht.
Die Priester sehen es mit Sorge. Zwar haben sie sich in der Kirche verrammelt, aber lange können sie nicht standhalten. In der Kirche befinden sich Baumeister aus dem Geheimbund der Freimaurer. Sie kennen als Architekten die baulichen Gegebenheiten, wissen, wo sich Hohlräume befinden. Die Idee, die Kostbarkeiten einzumauern, findet großen Anklang. Die Mauern werden aufgebrochen, die kostbaren Mäntel sorgfältig hineingelegt und die Löcher wieder verschlossen.
Zeichen der Freimaurer
Sind die Löcher zugemauert, werden sie mit Geheimzeichen versehen, die jedem Freimaurer geläufig sind. Nach dem Prinzip einer Schnitzeljagd werden sowohl innen wie außen Zeichen gesetzt, die auf das vorhergehende und nächste Versteck hinführen. Egal, ob am Anfang, Mitte oder Ende – die Zeichen weisen den Weg hin und zurück.
Somit können die liturgischen Gewänder schnell hervorgeholt und die Messen in altem Prunk wieder gefeiert werden. Dass es über 500 Jahre dauern wird, damit rechnet zu diesem Zeitpunkt wohl keiner.
Nicht nur Mörtel und Bauwerkzeuge werden in die Kirche gebracht.
Die Baumeister kennen genau das weit verzweigte Tunnelsystem, das zu jeder Kirche gehört. Wie eine Krake streckt es seine Arme kilometerweit nach draußen zu Endpunkten, die keiner vermutet.
Das teure Salz und die exotischen Gewürze werden zum Einmauern gebracht sowie Kostbarkeiten, die auf dem Seeweg der Hanse nach Danzig gekommen sind. Allen voran die Pfeffersäcke, die bare Münze wert sind. Zobelpelze aus St. Petersburg, Venezianisches Glas mit „Tausendblüten“-Muster, Brüsseler Spitzen sowie die goldenen Becher, besetzt mit Edelsteinen. Tafeln mit Intarsien aus Bernstein in unterschiedlichen Goldtönen, dem Gold der Ostsee. Jahrhunderte später geistern sie als „Bernsteinzimmer“ durch die Köpfe der Schatzsucher.
Welche Kostbarkeiten eingemauert werden und welche im Tunnelsystem stecken bleiben, bleibt ein Geheimnis – noch!
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