Eric Gauthiers Grundsatz war von Anfang an, unterhaltsames Ballett zu zeigen, aber mit den Spitzenchoreografen und Spitzentänzerinnen des zeitgenössischen Balletts. Tanz als Lebensgefühl.
15 Jahre Gauthier Dance, ein Grund zum Feiern unter dem Motto: 15 YEARS ALIVE
Das heißt in der Übersetzung so viel wie: 15 Jahre, und wir leben noch.
Es ist die Antwort für diejenigen, die der Kompanie im Höchstfalle 1 Spielzeit zum Überleben gaben. Eine Antwort für den Mitarbeiter im Stuttgarter Rathaus, der Gauthier am Anfang klar machte, dass Stuttgart keine zwei Tanzkompanien braucht und auch dafür kein Geld locker machen wird. Tja, wie sich die Zeiten ändern.
Mit einem Paradebeispiel beginnt der Premierenabend
Mauro Bigonzetti: Pression
Zwei Tänzerinnen – Karlijn Dedroog und Izabela Szylinska – tanzen zu Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“. Sie kommen herein, bewegen sich wie Hampelmänner. Erst stehen die Beine zur Seite abgewinkelt, der Körper unterhalb der Knie, um dann hochzuschnellen. Durch die Beleuchtung von Carlo Cerri vervielfachen sich ihre Beine durch Licht und Schatten – mindestens 8, wenn nicht gar 12 Beine bewegen sich. Stehen sie hintereinander, mit geknickten Knien, wirkt es wie eine riesige Spinne mit 8 bis 12 Beinen.
Frage: Aus wie vielen Personen besteht dieser lebendige Gordische Knoten?
Es sind tatsächlich nur die beiden Tänzer Andrew Cummings und Shawn Wu, die zur Musik von Helmut Lachemann tanzen. Eine Musik, die hauptsächlich aus Geräuschen besteht. Wer hätte gedacht, dass jemand danach tanzen kann. Musik und Bewegung sind eins.
Nur schwer sind sie auseinander zu halten. Welches Bein und welcher Arm gehören zu wem?
Bilder, die sich bewegen. Einer liegt auf dem Rücken, die Beine angewinkelt. Zwischen zwei Knien lugt ein Kopf hervor – irgendwie unproportional. Kein Wunder, denn Knie und Kopf gehören zu unterschiedlichen Personen. Die Arme des einen um die Waden des anderen geschlungen. Ein Kopffüßler für kurze Zeit – Antes lässt grüßen.
Ständig verändern sich die Positionen der Tänzer. Ich wünsche mir mehr Zeit, um diese Bilder länger betrachten zu können.
Tanztheater – mit dem Tanz Geschichten erzählen.
Es beginnt mit Hofesh Shechter: „Return“ – jetzt wird’s makaber!
Ein Tanzfilm, der im Leichenschauhaus spielt. Ein Liebender – Gaetano Signorelli – der seine tote Geliebte – Louiza Avraam – aus der Kühlbox holt. Er zieht sie an sich heran und tanzt mit der leblosen, schlaffen Frau. Erst sind seine Bewegungen zart und behutsam. Mit zunehmender Zeit geht er nicht mehr zimperlich mit ihr um. Er schleudert sie auf dem Boden entlang (uppps), hält sie im Arm, wirft ihre Arme und Beine, die schlaff herunter hängen, um seinen Körper.
Sie entgleitet ihm, was ihm nicht sonderlich auffällt. Erst tanzt er allein, dann gesellen sich andere zu ihm. Fast ist es schon eine Erlösung (zumindest für die Zuschauer), wenn die Tote aufsteht und im Rhythmus mittanzt.
Am Ende ist sie wieder allein, abgelegt an einer Säule.
Von jetzt an wird es lustig
Eric Gauthier: ABC – Ein Tänzer muss auch das Alphabet beherrschen.
Aus dem Lautsprecher kommt die (englische) Ansage: „angry“, was Shori Yamamoto wütend aussehen lässt.
So geht es weiter im Sekundentakt mit Pantomime, dazwischen typische Tanzhaltungen bei „P“ wie Pina Bausch, Elegien bei „O“ wie Onegin und Pirouetten bei „S“ wie Strawinski und Schwanensee. Aber auch „S“ wie surprise. Was für eine Überraschung, wenn auf einmal der gleiche Tänzer aus den Kulissen auf die Bühne kommt und vor lauter Verblüffung wieder dorthin verschwindet.
Alejandro Cerrudo: PacoPepePluto – 3 Tänzern auf den Leib choreografiert
Ein Fest für m/w/d, die auf knackig ausgestopfte Männerpopobacken stehen. Es tanzen zwar nicht Paco, Pepe und Pluto, sondern Giovanni Visone, Shawn Wu und Luca Pannacci, aber sie sind ebenso nackt wie die Tänzer der Uraufführung. 3 nackte Tänzer schwingen traumverloren ihre Soli zu Filmmusik, gesungen von Dean Martin. Zu jedem Lied tanzt ein muskulöser Gigolo – selbstvergessen ein paar kraftstrotzende Kunststückchen zeigend – an der imaginären Strandpromenade entlang. Natürlich die nicht vorhandenen Schönheiten im Auge behaltend. Die Gluckser im Zuschauerraum bleiben, wenn die drei beim Verbeugen mit den bloßen Händen ihre besten Teile schützen – mangels Feigenblatt.
Wert legt Eric Gauthier auf die Weiterbildung der Berufsanfänger
Dunja Jocic: Ayda – Choreografie speziell für die JUNIORS
Vier Absolventinnen von Ballettakademien gehören mit zur Kompanie. Sie sind bei der Jubiläumsfeier mit einem eigens für sie von Dunja Jocic choreografiertem Stück vertreten. Ayda Frances Güneri, Angelo Minacori, Anrau Redorta Ortiz und Maria Sayrach Baro zeigen ihr Können mit Elementen des klassischen Tanzes als auch des Modern Dance. Besonders die Sprache der Hände fällt auf. Herausragend, schlicht und doch auffallend beeindrucken die schwarzen Kostüme von Ivana Vanic English.
Dauerbrenner seit 1995
Itzik Galili: Das Sofa
Ein Paar, das sich streitet. Er – Mark Sampson – möchte ihr an die Wäsche gehen, sie – Garazi Perez Oloriz – wehrt sich und haut ihn um. Mit Bauchklatschern auf das Sofa. Sie schlagen sich, bis beide mitsamt dem Sofa nach hinten umkippen.
Das Sofa klappt zurück, aber statt der Frau sitzt an deren Stelle ein Mann – rote Samthose, knappes Shirt, hinten wie eine Corsage geschnürt – mit deutlich gleichgeschlechtlichen sexuellen Interessen. Er – Gaetano Signorelli – hat ein Auge auf den Mann geworfen, den er am Anfang noch bezirzt. Dann beginnt die gleiche Choreografie wie vorher zwischen Mann und Frau. Allerdings ist jetzt der schwule Hallodri der Zudringliche, während der genervte Hetero-Draufgänger zu entkommen versucht.
Zum Piepen.
Ein Stück für alle 16 Tänzerinnen der Ballettkompanie
Ohad Naharin: Minus 16
Es besteht aus mehreren Teilen. Mein Lieblingsaufzug ist der mit den Stühlen. Sie sitzen im Halbkreis und singen an bestimmten Stellen eines jüdischen Frage-und-Antwort-Rituals mit.
Wie Dominosteine kippen sie auf ihren Stühlen zur Seite.
Der letzte am rechten Rand pflatscht immer nach vorn und robbt sich wieder zurück – bis zum nächsten Mal. Ebenso regelmäßig springt ein Tänzer aus der Reihe auf den Stuhl, um sich gleich wieder hinzusetzen – Macht der Gewohnheit.
Im Verlauf der Runden werfen sie Jacken, Hosen, Hemden, Schuhe in die Mitte. Zum Ende der Litanei stürzen sie sich auf die Kleidungsstücke, raffen sie zusammen und verschwinden. Bis auf einige, die weiter tanzen, bis nach und nach die übrigen Tänzer hinzukommen.
Stuttgart – Hauptstadt des Tanzes
Mit zwei international anerkannten Tanzkompanien – Stuttgarter Ballett und Gauthier Dance – kann sich Stuttgart „Hauptstadt des Tanzes“ nennen. Mehrere Preise, Ehrungen und Auszeichnungen begleiten beide Kompanien. Gauthier Dance erhielt zuletzt vom „Jahrbuch tanz“ die Auszeichnung „Glanzlicht des Jahres 2022“.
Gauthier Dance//Dance Company Theaterhaus Stuttgart
15 YEARS ALIVE
Eine Produktion von Theaterhaus Stuttgart
Gauthier Dance//Dance Company Theaterhaus Stuttgart feiert die ersten 15 Jahre
Noch mehr über Gauthier Dance
- Eric Gauthiers Grundsatz war von Anfang an, unterhaltsames Ballett zu zeigen, aber mit den Spitzenchoreografen und Spitzentänzerinnen des zeitgenössischen Balletts. Tanz als Lebensgefühl. 15 Jahre Gauthier Dance, ein Grund zum Feiern unter dem Motto: 15 YEARS ALIVE ♫ Gauthier Dance – 15 YEARS ALIVE – lebendig wie am 1. Tag
- Von Ehrungen überhäuft -The Dying Swans Project. Der neuste Preis kommt aus Italien – der Premio Mario Pasi 2021 für die Förderung der Tanzkultur, vergeben von der führenden Fachzeitschrift Danza+Danza. ♫ Ballett: 16x DER Sterbende Schwan – THE DYING SWANS
- Eric Gauthier hatte die Idee, den „alten Schinken Schwanensee“ neu zu interpretieren mit den Choreografen Cayetano Soto, Marie Chouinard, Marco Goecke und Hofesh Shechter. Sein Auftrag: „Schwanensee in der heutigen Tanzsprache, ihr habt alle Freiheiten“ ♫ Schwanensee – Swan Lakes – 4 x neu im Theaterhaus
- Ministerpräsident Kretschmann lädt ein, und Eric Gauthier mit seinen Tänzern und eine große Zahl an Zuschauern kommen in den Park der Villa Reitzenstein. Nicht sonderlich entgegenkommend zeigt sich das Wetter am Vormittag. Aber kaum startet um 13 Uhr die Vorstellung, schon scheint die Sonne. Vollkommen entspannt sitzt das Publikum auf den wenigen Stühlen, den Ballustraden, […]
- Was passiert, wenn zwei Spitzenensembles zusammen kommen? Etwas ganz Einmaliges. 60 Minuten (fast) unbeschreibliche Glanzleistung von Tänzern und Musikern. Um es vorwegzunehmen: Fantastisch!!! Breakdance trifft barocke Kammermusik Mourad Merzouki und sein Tanzensemble Compagnie Käfig, das den Hip-Hop perfektioniert und das Kammermusikensemble Concert de l´Hostel Dieu, spezialisiert auf Barockmusik. Schon optisch beeindrucken sie, vollkommen eigenständig. Die […]