Mit seinem Tagebuch-Roman löste Hjalmar Söderberg einen Skandal in Schweden aus. Er beschreibt darin die Umstände, mit denen ein Arzt bewusst einen Mord begeht.
Der Arzt Doktor Glas schreibt seine Gedanken sporadisch auf Zetteln nieder.
Es beginnt am 12. Juni und endet zwei Monate später mit dem Mord, den er entgegen seiner ärztlichen Ethik begeht. Es sieht zwar nicht so aus, als ob dieser Mord aufgedeckt wird, aber Doktor Glas beschäftigt diese Tat noch Monate danach. Ihm schwant, dass es anscheinend umsonst geschah. Er wollte die Ehefrau eines Pastors von ihrem – auch Doktor Glas unsympathischen – sextollen, viel älteren Gatten befreien. Damit hätte er der jungen Frau den Weg für eine Liebesheirat freigemacht. Jedoch diese Liaison mit einem viel jüngeren Mann geht in die Brüche, weil der Geliebte sich eine reiche, junge Frau angelacht hat, die er viel lieber heiraten möchte.
Doktor Glas ahnt nichts von dem Bruch, interpretiert die Traurigkeit der Pastorengattin falsch und handelt übereilt. Er verabreicht dem Pastor eine mit Zyankali gefüllte Pille, die Doktor Glas immer für seinen eventuellen Eigenbedarf mit sich herumträgt. Den Totenschein für einen Herzinfarkt stellt Doktor Glas selbst aus. Mit der Zeit wächst seine Zuneigung zur Pastorenwitwe, die ihn seit dem Tode ihres Mannes nicht mehr besucht hat. Ahnt sie etwas?
Sehr ausführlich beschreibt Hjalmar Söderberg die psychischen Zustände des Doktor Glas, einen Mann mit vielen Komplexen. Nur einmal in seinem Leben liebte er eine Frau – als Heranwachsender. Seine Liebe verunglückte tödlich. Seitdem hält er sich fern vom weiblichen Geschlecht. Wenn er eine Frau anbetet, dann nur von Ferne. Auch sind es immer Frauen, die einen anderen Mann begehren und denen dieses gewisse Strahlen in den Augen leuchtet.
Damit legte Hjalmar Söderberg den Grundstein für die heute so beliebten schwedischen Krimis.
Fast alle beinhalten ausführliche psychologische Erklärungen für eine Tat. Ebenso wird in Schwedenkrimis die private Situation von Täter und Opfer beschrieben. Seine ärztliche Ethik hält Doktor Glas hoch; spannend erzählt Hjalmar Söderberg den Wandel. Ein ruhiges Buch, das lange nachwirkt.
Doktor Glas: Roman von Hjalmar Söderberg (Autor), Verena Reichel (Übersetzer) | Manesse Verlag (8. Oktober 2012) | EUR 19,95
- ✍ Buchtipp: Buntschatten und Fledermäuse
Als sein Vater stirbt, weinen Mutter und Bruder – er jedoch zeigt sich über ihre Gefühlsausbrüche erstaunt. Sein Bruder schreit, als wäre er vom Rad gefallen… ✍ Buchtipp: Buntschatten und Fledermäus … - ✒ Buchtipp: „Delfinarium“ von Michael Weins
Es fängt an mit einem Missverständnis und geht so weiter. Wer ist die Frau, die sich nicht erinnern kann? Sind es zwei Frauen, vielleicht Zwillinge? Daniel stellt sich mit „Martin“ vor, wo … - ♀ Buchtipp: Die Frau in der hinteren Reihe – Roman von Françoise Dorner
Immer hat sich Nina nach Liebe, Partnerschaft und Familie gesehnt und nie bekommen. Nicht von ihrer allein erziehenden Mutter, die nur an sich denkt; nicht von den Nonnen im Klosterinternat; ein bissc … - Buchtipp: „Viktors Liebe“ – Wenn Liebe töten kann
Viktors Liebe – Roman von Franziska Stalmann In diesem Buch geht es nicht nur um Viktors, sondern generell um alle möglichen Arten von Liebe. Dabei werden die dunklen Seiten besonders betont. In … - ✍ Roman-Tipp: Agent auf Abwegen – Kohelet macht einen Fehler, den er nicht bereuen wird
Auch wenn der Titel auf die falsche Spur führt: Dieser Roman ist kein Agententhriller, sondern das Psychogramm eines kontaktarmen Enddreißigers namens Kohelet, der zufällig Abteilungsleiter beim Verfa …