Im Mittelpunkt der wahrhaft glanzvollen Ausstellung im Württembergischen Landesmuseum stehen fünf starke Frauen, die ihre Chancen nutzen. Sie heiraten entweder vom Haus Württemberg zu den Romanows nach Sankt Petersburg oder umgekehrt.
Maria Fjodorowna
(1759 – 1828) heiratet von Württemberg nach Sankt Petersburg.
Sie wird (nach 20 Jahren Wartezeit) zur Zarin gekrönt und besetzt als erste weibliche Ministerin die Stelle für Familie und Soziales. Schon anfangs verwaltet sie über 40 Wohltätigkeits- und Bildungseinrichtungen. Sie herrscht durchaus nicht nur vom Schreibtisch aus, sondern ist stets vor Ort, und das als berufstätige Mutter von 10 Kindern. Ihre Öffentlichkeitsarbeit – Werbung in eigener Sache – erledigt sie beispielhaft. Das bringt ihr sogar Begeisterungsstürme ihrer Schwiegermutter, Katharina der Großen, ein. Bis ins hohe Alter leistet sie hervorragende Pressearbeit. „… sie machte keinen Spaziergang, auf dem sie nicht bedacht gewesen wäre, irgendein kleines Ereignis herbeizuführen, die sie beim Volk im Licht liebenswürdiger Herzensgüte zeigen konnte …“ (Wilhelm Bernhardi)
Ihre Tochter, Großfürstin Katharina (1788 – 1819) heiratet von Sankt Petersburg nach Württemberg.
Als junge Witwe erliegt sie dem Charme des Kronprinzen Wilhelm von Württemberg, der trotz klammer Finanzen und einer unstandesgemäßen Lebensgefährtin für sie ausgesucht wird.
Wohl kaum eine Zarentochter bringt so viel Reichtum mit. Nicht nur eine Million Rubel, die auch die anderen Zarentöchter erhalten, sondern ebenso viel Silberrubel vom Verkauf ihres Palastes in Sankt Petersburg zählt zu ihrer Mitgift. Ihr persönlicher Schatz besteht aus einem Teeservice aus purem Gold. Es ist nicht etwa für den täglichen Gebrauch gedacht – nicht einmal für den sonntäglichen. Obwohl fein und dünn gearbeitet, ist es doch zu schwer. Wer möchte schon ständig zum Frühstück einen Klumpen Gold stemmen? Das Service ist Katharinas Lebensversicherung. Sollte es mit der Ehe schief laufen oder andere Katastrophen eintreten, kann sie das Service einschmelzen lassen und auf eigenen Füßen stehen. 1817 bittet Katharina ihren „… vielgeliebten Gemahl, das Teeservice als Zeichen unseres zärtlichen Andenkens anzunehmen …“.
Tja, nach wenigen Monaten stirbt Katharina im Alter von 31 Jahren unter nicht ganz geklärten Umständen. Der dankbare Witwer verewigt sie in einem überdimensionalen Mausoleum auf dem Rothenberg. Wegen ihres frühen Todes erlangt sie einen Kultstatus als Königin der Herzen – Lady Diana der Schwaben.
Großfürstin Elena Pawlowna (1807 – 1873) aus dem Hause Württemberg heiratet ihren Cousin zweiten Grades und siedelt zu ihm nach Sankt Petersburg.
Sie tut sich hervor als Veranstalterin rauschender Feste und Förderin der schönen Künste. Berühmtheit erlangen ihre Donnerstagabende. Künstler, die zu diesen Soireen und Festen eingeladen sind, finden hier ihr Auskommen. Berühmte Wissenschaftler, Maler, Musiker und Literaten lassen sich in Sankt Petersburg nieder. Elena legt den Grundstein für Wissenschaft und Kultur, die diese Stadt einmal berühmt machen. Zum Leiter des ersten russischen Konservatoriums, aus dem prominente Schüler wie Tschaikowski hervorgehen werden, bestellt sie Anton Rubinstein.
Königin Olga von Württemberg (1822 – 1892) heiratet den Großneffen ihrer Großmutter Maria Fjodorowna und siedelt nach Stuttgart um.
Es pressierte, denn ihre jüngere Schwester war schon verheiratet. Es lief doch verflixt mit ihren zahlreichen Heiratskandidaten. Entweder sie wollte nicht, oder er wollte nicht, oder der Familie war er nicht gut genug. Als sie Kronprinz Karl kennenlernt, steht für sie fest: „Den oder keinen“. Nach wenigen Monaten wird noch im selben Jahr geheiratet. Leider hat sich das bewahrheitet, was auch heutige Frauen auf (Ehe)Mannsuche schmerzhaft erfahren müssen: Entweder die infrage kommenden Männer sind verheiratet oder schwul. Letzteres trifft zu. Allerdings ist das der Anfang einer wunderbaren Freundschaft. Da die Ehe gezwungenermaßen kinderlos bleibt, adoptieren sie Olgas Nichte Wera.
Wera Konstantinowa (1854 – 1912) kommt als Kind aus Sankt Petersburg und heiratet Herzog Eugen von Württemberg.
Wera wäre wohl lieber Prinz als Prinzessin geworden, wie ihre Brüder, mit denen sie in den russischen Weiten ihre Freiheit genießt. Als die Etikette-Verantwortlichen am Zarenhof das bemerken, ist es schon zu spät für eine tief greifende Erziehung zur künftigen Königin oder Repräsentantin. Als Sofortmaßnahme wird sie von ihren Brüdern getrennt und zu ihrer Tante Olga nach Stuttgart geschickt, wo sie auch ohne ihre Brüder die Vorliebe für Kraftsport und das Desinteresse an höfischen Umgangsformen beibehält. Ihre Gewohnheiten verteidigt sie mit Klauen und Zähnen, was ihre Erzieherinnen in Form von Bisswunden und Kratzern zu spüren bekommen. Olga und Karl hingegen gefällt ihr ungewöhnliches Verhalten so sehr, dass sie die temperamentvolle Wildkatze adoptieren.
Wera behält ihren Lebensstil bei. Stolz lässt sie sich fotografieren – in der Uniform des Ulanenregiments Nr. 19, dem sie in Vertretung ihres verstorbenen Mannes vorsteht. Sie interessiert sich für Technik, bedient ihren eigenen Fotoapparat und richtet das erste Kino ein. Sportlich bis an ihr Lebensende steigt sie auf die Berge, während sich andere mit der Sänfte tragen lassen.
Die Ausstellung „Im Glanz der Zaren. Die Romanows, Württemberg und Europa“ ist vom 5. Oktober 2013 bis zum 23. März 2014 im Landesmuseum Württemberg, Altes Schloss in Stuttgart, zu sehen.
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