Nabucco, Oper von Giuseppe Verdi, im SND Bratislava: Eine Vorstellung mit Mitteln klassischer Operninszenierung, modernem Regietheater und starken Ballettszenen. Selbst der Chor agiert sehr geschlossen, nicht aus einzelnen Personen bestehend.
Inhalt/Handlung Nabucco
Krieger, Liebesgeschichte und gerechte Strafe
Gegnerische Krieger bieten genügend Stoff für Freunde opulenter Kostümopern. Der Sieg der Hebräer – mit göttlicher Hilfe – über die falschgläubigen Babylonier sowie eine Missionierung zum wahren Glauben freut die Kirchgänger. Für Romantiker wird alles verbunden mit einer Liebesgeschichte, die gut ausgeht. Im Mittelpunkt steht die Treue eines Mannes, gefolgt vom Opferwillen der Geliebten. Zum Wohlgefallen der Gerechten folgt die Strafe auf dem Fuße, sowohl für größenwahnsinnige Despoten als auch für die Möchtegernkönigin …
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Nabucco – Bühne und Inszenierung
In dieser Inszenierung erleichtern die Kostüme (Dana Haklova), auch optisch den Überblick zu behalten. Ich liebe es, wenn ich die Handlung verfolgen kann. Das schafft die klare Aufteilung nach Farben – Abigaille als nicht ganz echte Königsanwärterin in Schwarz, Fenena als rechtmäßige Königstochter in Weiß. Beide sind Konkurrentinnen. Als Abigaille für kurze Zeit den Thron besteigt und Fenena in den Kerker kommt, wechseln beide die Farben von Schwarz nach weiß.
Abigailles Tross besteht aus grauschwarzen Unglücksraben (Choreographie Martin Sintak). Geflügelte Wesen mit Schnabelmasken kreisen – Unglück verkündend – durch den Raum. Mit bedrohlichen Flügelschlägen prophezeien sie Unheil, deutlich signalisiert durch die Tänzer des Balletts der Oper.
Der Chor der Hebräer ist leicht zu erkennen an weißen Gebetsschals mit den hängenden Fransen, allen voran der Hohepriester Zaccaria (Peter Mikulas).
Nabucco – Meine persönlichen Eindrücke
Die Opernaufführung würde ich umbenennen in „Aufstieg und Fall der Halb-Königstochter Abigaille“. Auf sie sehe ich die ganze Oper ausgerichtet.
Maida Hundeling dominiert als Abigaille mit Stimme, Darstellung und Ausstrahlung die Vorstellung. Glaubhaft verkörpert sie die Frau, die ehrgeizig ihr Ziel verfolgt. Abigaille ist mehrere Spuren zu forsch mit Ismaele (Tomas Juhas), den sie heimlich liebt. Ismaele wiederum liebt ihre Halbschwester Fenena (Monika Fabianova). Als Abigaille sich an der Macht wähnt, stellt sie Ismaele vor die Wahl: Entweder mit ihr leben oder mit Fenena sterben. Ismaele entscheidet sich dann doch lieber für Fenena – verständlich bei so viel zur Schau gestellter Überlegenheit.
Abigaille zeigt weder Mitgefühl für ihren Vater Nabucco noch für ihre Halbschwester Fenena, die sie mit ihrem Befehl in den sicheren Tod schickt. Fenena jedoch trauert am Schluss um ihre tote Halbschwester Abigaille.
Souverän tritt Abigaille als Herrscherin auf, nachdem sie sich an die Macht geputscht hat. Sie residiert in einem Saal mit Seidentapeten an den Wänden. Als äußeres Erkennungsmerkmal für die Täuschung fällt die kostbare Seidentapete wirkungsvoll herunter, liegt zerknüllt am Boden und begräbt damit das Zeichen von Reichtum und Macht unter sich.
Abigaille wird in dieser Inszenierung auch äußerlich vom Pech verfolgt. Die Rabenvögel verstärken die Aura des Unglücks. Sie treten immer dann auf, wenn Abigaille ihr Ziel durchdrücken will.
Schade, dass Verdi ein anderes Schicksal für sie vorgesehen hat. Ich hätte ihr ein langes Königinnenleben gewünscht.
Nabucco – Oper, Ballett und Schauspiel im Team
Es sind viele Kleinigkeiten, die der Regisseur Tomas Ondrej Pilar in dieser Inszenierung optisch interessant gestaltet. Die Kombination aller drei Sparten – eine eindrucksvolle Ensembleleistung von Oper, Ballett und Schauspiel – lenkt die Aufmerksamkeit auf die Handlung. Dadurch kommt das Slowakische Opern-Orchester SND unter der Leitung von Pietro Rizzo voll zur Geltung.
Beeindruckend die Bläser-Soli, die den aufwachenden Nabucco (Daniel Luis de Vincente) im Verlauf seiner Selbstfindung begleiten. Nabucco besinnt sich und erkennt seine missliche Lage.
Die beiden Schwestern werden in Schlüsselszenen von zwei kleinen Mädchen dargestellt, die durch die Szenerie toben. Als Zeichen, dass sie sich als Kinder gut verstanden haben.
Der Chor als dunkler Hintergrund lenkt die Aufmerksamkeit auf die Sänger und die mitreißende Musik aus dem Orchestergraben.
Für Hingucker sorgt Petr Vitek mit imposanten Bühnenbildern. Den Königspalast stattet er aus mit einer opulenten Seidentapete, die über den ganzen Bühnenhintergrund gespannt ist. Wie ein Kartenhaus fällt sie zusammen, als die Zeit für Abigaille vorbei ist. Nur kurz, aber pompös, ist ihre Regentschaft.
Im Pergamonmuseum befindet sich das Original des aus Stein gehauenen riesigen Torwärters. Das Fabelwesen steht in gleicher (Museums)Größe auf der Bühne und verschwindet nach oben in den Bühnenhimmel – wie von Geisterhand gezogen.
Opern im Opernhaus – jede Vorstellung ist Live ein besonderes Erlebnis
Wie in allen Live-Aufführungen kann es von Tag zu Tag unterschiedlich sein, je nach Tagesform der Sänger. Sobald die Sänger wechseln, kann eine neue Variante zutreffen. Diese Nabucco-Rollen sind doppelt besetzt, so dass die Gewichtung in jeder Vorstellung ganz woanders liegen kann, je nach der Kombination der Künstler. Deshalb gehören Oper und Theater zu den Livevorstellungen, die man immer wieder neu hören und sehen kann, ohne dass es langweilig wird.
Auch in dieser Nabucco-Premiere erlebe ich etwas Neues. Die Kombination mit dem Vögel-Ballett finde ich ausgesprochen gelungen. Und die ganz neue Sichtweise auf die Handlung, die mich mit Abigaille mitleiden lässt. Da bleiben Bilder im Kopf.
Nabucco von Giuseppe Verdi
SND Bratislava Slowakisches Nationaltheater
Nabucco, Oper von Giuseppe Verdi
Künstlerische Koproduktion mit dem Nationaltheater Prag.
Vorstellungsdauer: 2 Std. 50 Minuten mit einer Pause
Premiere am 29. September, 2023
Inszenierungsteam
Musikalische Leitung Pietro Rizzo
Dirigenten Pietro Rizzo
Regie Tomáš Ondřej Pilař
Bühnenbild Petr Vítek
Kostüme Dana Haklová
Choreographie Martin Šinták
Besetzung am 29. September 2023
Nabucco Daniel Luis de Vicente
Ismael Tomáš Juhás
Zachariáš Peter Mikuláš
Abigail Maida Hundeling
Fenena Monika Fabianová
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