Das Licht geht aus; es ertönt ein Geräusch wie von einem Flugzeugs, bevor es startet.
Keine Panik, wir sind schon mitten drin im „Black Breath“ – Choreographie von Marco Goecke – Musik wie metallische Geräusche von György Ligeti.
Auf der schwarzen Bühne pustet Wind vom unsichtbaren Propeller. Die Tänzer (Elisa Badenes, Mariya Batman, Alexander Zaitsev, David Moore, Robert Robinson, Jesse Fraser, Miles Pertl, Ludovico Pace, Nicholas Jones) bewegen sich wie aufgezogenes Blechspielzeug. Armkugel, Ellenbogen, Handgelenke scheinen ein Eigenleben zu führen. Gelenke knicken um wie bei Robotern. Sie tanzen nie als Paar zusammen, sehen sich nie an und berühren sich nicht. Ihre Arme stoppen kurz vor der anderen Person, lassen einem Zwischenraum.
Black Breath – Schwarzer Atem, voller Ruß und Kohlenstaub, technisch, mechanisch, maschinell. Eine automatisierte Welt wie in Charly Chaplins „Moderne Zeiten“. Sie erzeugen Dampf mit ihren Händen, wirbeln so lange, bis alles eingenebelt ist. Sie stampfen und zischen.
Alles hört auf, wie es begonnen hat, mit dem pustenden Propeller, den gleichen Maschinengeräuschen und der Musik. Der Wind weht Fransen und Menschen in eine Richtung. Die skurrilen Figuren versuchen, dem Sturm standzuhalten, siehe Foto.
„SSSS…“ – Choreographie von Edward Clug mit Musik von Frédéric Chopin, gespielt am Flügel von Glenn Prince.
Neben und hinter dem Flügel stehen eine Unmenge von Klavierhockern, auf denen die Tänzer (Anna Osadcenko, Oihane Herrero, Hyo-Jung Kang, William Moore, Arman Zazyan, Roman Novitzky) warten. Mit jeder Nocturne begibt sich ein neues Paar nach vorn auf die Bühne/Arena.
Das erste Paar sieht aus wie ein Ballettmeister mit Ballerina. Mit nichts ist er zufrieden; korrigiert ständig ihre Arme und Beine. Wenn sie zusammenbricht, stellt er sie wieder aufrecht – fordernd. Das zweite Paar gibt sich schon emanzipierter. Sobald er sie korrigiert, feilt sie an seiner Haltung. Ein Kampf der Geschlechter, oder auch der Nebenbuhler. Ein zweiter Mann gesellt sich zu einem Paar auf die Bühne, fängt ihren Arm oder ihr Bein in der Drehung ab und dreht es in seine Richtung. Der erste Tänzer macht es ihm gleich – wie ein Pingpongspiel – bis alle auf dem Boden liegen. Beide Männer halten besitzergreifend ein hoch gestrecktes Bein der Tänzerin im Arm, mit dem anderen nach dem zweiten fassend. Währenddessen liegt die Tänzerin gelangweilt auf dem Bauch, das Kinn auf die Arme gestützt – Männer – hoffentlich sind sie sich bald einig!
„Il Concertone“ – Choreographie von Mauro Bigonzetti – Musik von Stefano Bollani.
Musik, wie sie in den Dreißigerjahren in den Bars entlang der Achse Berlin / New York / Rio de Janeiro gespielt wurde.Rhythmisches Stampfen, bevor sich der Vorhang öffnet. Angestrahlt mit gelb/orange/rotem Licht kommen Tänzer (Alicia Amatriain, Katja Wünsche, Elizabeth Mason, Rachele Buriassi, Miriam Kacerova, Angelina Zuccarini, Ami Morita, Elisa Badenes, Friedemann Vogel, Roman Novitzky, Alexander Jones, Damiano Pettenella, Arman Zazyan, Daniel Camargo, Brent Parolin, Matteo Crockard-Villa, Robert Robinson) mit einem Stepptanz herein – hell, sonnig, lebensfroh und gut gelaunt bis zum Solisten Friedemann Vogel. Scheinwerfer strahlen ihn von beiden Seiten an, so dass in der Mitte des Rückens ein dunkel diabolisches Schattendreieck entsteht. Nach seinem unwirschen „OK!!!“ stieben die Tänzer auseinander.
Diese Choreographie bildet einen Kontrapunkt zu „Black Breath“. Fließend sind die Bewegungen der Tänzer, ihre Körper bilden eine Einheit, hinterlassen Bilder im Kopf:
Ein Tänzer verlängert das ausgestreckte Bein seiner Partnerin mit seinem Arm. Ihre Körper bilden die Achse, durch die eine diagonale Linie – von ihrer Fußspitze bis zu seinen ausgestreckten Fingern – verläuft.
Ein Tänzer trägt seine Partnerin fort, die sich wie ein Schal um seinen Hals gelegt hat.
Umschlungene Arme recken und strecken sich, während an den herausragenden Händen die Finger einen Pas de Deux tanzen.
Oder sie bilden – siehe Foto – ein Trapez.
Drei Ballettpremieren stehen am 23. März 2012 auf dem Programm.
Drei unterschiedliche Körpersprachen, so perfekt getanzt, dass die Zuschauer sie mühelos in ihre eigene Sprache übersetzen können.
Im neu renovierten Schauspielhaus läuft noch nicht alles glatt. Die Technik geht ihre eigenen Wege. Die Zuschauer werden gebeten, auf die nicht richtig funktionierende Technik Rücksicht zu nehmen.