Das Vorwort bitte nicht überschlagen, denn es steckt so viel Beobachtungsgabe und Mitleid darin.
Tilman Rammstedt kommt den gemeinen Stubenfliegen auf die Spur.
Dabei stellt er fest, dass sie sich nicht wesentlich von den Menschen unterscheiden. Er kennt sich aus, denn im Sommer lebt er mit drei Fliegen zusammen, die ihn im Winter nicht einmal anrufen. „Ihre Liebschaften sind kurz und sachlich, mit den Kindern besteht kaum Kontakt…“ und „Sie haben nichts als ihre behaarten Körper, die unvorteilhaften Augen, für die ihnen niemand Komplimente macht, nicht einmal gelogene“. Kein Wunder, dass sie depressiv werden „Irgendwann wird nicht mehr jedem Klebeband ausgewichen, …zögern sie beim Anblick der Fliegenklatsche zu lang, lockt ein Spinnennetz…“
Eine Bleistiftzeichnung als Untergrund – darauf die Fliegen platziert – jede Seite eine Überraschung.
Ein weißes Blatt Papier, auf dem diagonal eine Fliege liegt. Das ist noch nichts Besonderes. Reale Fliegenkörper, wie sie im Sommer fast in jeder Ecke zu finden sind, sofern sie der Fliegenpatsche nicht schnell genug ausweichen konnten. Windmühlenartig wachsen Arme und Beine aus der Fliege. Oberhalb der Flügel breiten sich zwei Stricharme aus. Aus dem unteren Körper stemmen sich zwei Strichbeine. Ein Bein steht senkrecht auf einem Schlittschuh mit Kufen, dem sogar der Kratzer im Eis folgt. Ein Bein spreizt sich, sportlich angewinkelt, mit der Sohle nach oben ab. Der Fuß steckt im Schlittschuh – fertig ist die Eis-Schnellläuferin.
Vom Insekt zum Strichmännchen.
Nach diesem Prinzip der Strichmännchen zeichnet Magnus Muhr sportliche, elegante, eitle, verspielte und verschlafene Insekten.
Romantikern geht das Herz auf bei zwei verliebten Fliegen, dicht beieinander zum Kuss vereint – und der Himmel hängt voller Herzen. Auch unter Fliegen kommen Größenunterschiede vor. Eine Fliege, mit kurzen (Strich)Beinen, schaut sehnsuchtsvoll zu einer Fliege auf langen Beinen hoch. Diese wiederum wirft einen verachtungsvollen Blick nach unten.
Jede Seite ein neuer Lacher.
Entspannend, kreativ, überraschend, witzig bis zum Ende, wenn der Sarg von sechs Fliegen herabgelassen wird.
Markus Muhr fotografiert hauptsächlich Natur, Portraits und Akte. Mit diesem Buch hat der drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Das geheime Leben der Fliegen von Magnus Muhr (Fotograf) | Dumont Buchverlag;