Kategorie: Kunst – Handwerk – Architektur

Beispiele herausragender, origineller, traditioneller, zeitgenössischer Handwerkskunst – wenn Kopf und Hand zusammen arbeiten.

  • ☛ Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – meine Highlights

    ☛ Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – meine Highlights

    Eine Schenkung mit über 3.500 wertvollen Stücken afrikanischer Kunst. Wer bekommt sowas? Das St. Annen Museum in Lübeck. Der Kunstmäzen Bernd Muhlack vermachte dem Museum seine Privatsammlung hochwertiger Exponate.8ca658b7cd2840f18f340ed08e0e9729
    „90% Depot, 10% Ausstellung“, wie Dr. Frühsorge sich ausdrückt. Da diese Ausstellungen immer wechseln, kommen mit der Zeit alle wertvollen Stücke ans Museumslicht.

    „Weiße“ mit roter Haut

    Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – Dr. Frühsorge mit Skulptur eines französischen Polizisten
    Dr. Frühwert mit einer afrikanischen Holzskulptur, ein französischer Polizist

    Im Depot zeigt Dr. Frühsorge seine Paradestücke. Nicht nur afrikanische Masken stellen die Künstler her. Sie schnitzen auch die „Weißen“, die bei den Afrikanern rot gefärbt sind. Sollte die rote Haut etwa damit zusammenhängen, dass die „Weißen“ durch den Sonnenbrand krebsrot werden? Oder weil sie zu den Cholerikern gehören und dabei vor Zorn und schlechter Laune rot anlaufen?
    Die Skulpturen zeigen sie bei ihren typische Tätigkeiten. Hier fährt ein französischer Polizist in Uniform mit finsterem Gesicht auf einem Fahrrad.

    Göttin Malsomalso oder Olle Klöterbüchse?

    Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – Olle Klöterbüchse oder Göttin Malsomalso
    Afrikanischer Gott Eshu

    Eine weibliche Figur mit einem riesigen Kopfschmuck, jedoch ohne Körper. Statt dessen hängen Schnüre vom Hals herab. Schnüre mit aufgefädelten Muscheln, Hölzern und allem, was Krach macht. Wie eine Stabpuppe am Stock wird sie hin- und hergeschüttelt. Dabei stellt die Figur eine Göttin dar, und zwar eine launenhafte – mal so, mal so. Früher wurde sie als Teufel bezeichnet, was sich als falsche Deutung herausstellte.
    Ob die Idee dazu vom Richtungwechseln und dem dazugehörigen Lärm kommt? Ist sie von allen guten Geistern verlassen?

    Mobbing auf afrikanisch

    Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – mobbing auf afrikanisch
    Afrikanischer Sündenbock mit Nägeln und Metallkeilen

    Ein unglücklich aussehender Mensch steckt voller Nägel und Spitzen. Bei seinem Anblick hat wohl jede Mitleid. Nicht so die Nageleinschlagenden. Er steht für einen Tunichtgut, dem viele Menschen in seiner Umgebung etwas Böses wünschen, oder zumindest nichts Gutes.
    Dieser Bösewicht wird nicht in der Realität hingerichtet, sondern in Gedanken seiner Mitmenschen schwer verletzt. Jeder, der sich durch ihn in irgendeiner Weise geschädigt fühlt, darf einen Nagel einschlagen. Verbunden mit dem Wunsch, der nichts Gutes verheißt. Diesem Aufruf sind außerordentlich viele gefolgt, denn bei dieser Person sind sogar die Nägel schon ausgegangen. Die Beschwerdeführer greifen auf andere spitze Gegenstände zurück.
    Der Mensch, der hinter der Figur steht, kann sich über Mangel an Feinden nicht beklagen.

    Holztafeln zum Lesen lernen

    Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – Holztafeln zum Lesen lernen
    Holztafeln zum Lesen lernen

    In sämtlichen afrikanischen Schulen schreiben Kinder aus der Bibel oder dem Koran ab. Dabei lernen sie die Heilige Schrift auswendig und das Schreiben gleich mit. Sobald sie einen Abschnitt aus dem Gedächtnis aufsagen können, wird das Brett gesäubert und das nächste Kapitel kommt dran. Praktisch!!!

    Masken mit Stickereien aus Glasperlen

    Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – Masken mit Stickereien aus Glasperlen
    Masken mit Ornamenten aus Glasperlen

    Glasperlen stehen bei uns als andere Bezeichnung für wertlosen Firlefanz, den die Kolonialherren gegen wertvolle Edelmetalle eintauschten. Von wegen! Je kleiner die Perlen sind, umso hoch angesehener sind sie für die Maskenkünstler. Afrikanische Meister sehen darin kostbares, kreatives Material, mit dem sie Ornamente entwerfen oder Schlangen, Krokodile, Masken anfertigen.

    Bringt emanzipierte Frauen auf die Palme: Afrikanischer Chauvi-Stuhl

    Afrikanische Kunst im St. Annen Museum in Lübeck – Stuhl mit Chauvi
    Afrikanischer Häuptlingsstuhl

    Ein Mann nimmt einen Stuhlsitz mit seinen ausgebreiteten Beinen ein, dazwischen sein primäres Geschlechtsorgan. Seine Hände krallen besitzergreifend die Köpfe zweier Frauen, die knieend als Ständer für seine Armlehnen dienen. Weitere Frauen tragen – zusammen mit Elefanten – den Stuhlsitz.
    Laut Dr. Frühsorge haben solche Darstellungen nichts mit prickelndem Sex zu tun, sondern sollen das Wachsen symbolisieren.
    Mein Kommentar: „Kein Kommentar!“

    Afrikanische Masken – Depot als sakrales Endlager

    Dr. Frühwert bezeichnet die Sammlung als sakrales Endlager. So recht glauben die heutigen Afrikaner nicht mehr an die alten Religionen, aber mensch kann ja nicht wissen. Wegschmeißen mag keiner die rituellen Masken. Wer weiß, ob damit nicht der Zorn der jeweiligen Gottheit geweckt wird. Verkaufen ist eine gute Option. Das Geld kann eingetauscht werden in Dinge, die Spass machen.
    Die Heiligenfigur ist damit aus dem Blickfeld. Die Tanzmaske lebt in der Ferne weiter, ohne daheim Schaden anzurichten. Die Masken können zur Not aber auch wieder zurück gekauft werden. Diese Möglichkeit beschert den Verkäufern ein gutes Gewissen.

    Noch mehr über Afrika

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  • ☛ Camera Obscura: Lübecker Holstentor schlägt einen Purzelbaum

    ☛ Camera Obscura: Lübecker Holstentor schlägt einen Purzelbaum

    Die größte begehbare Kamera der Welt steht nicht im Guinnessbuch der Rekorde, sondern vom 21.5. bis 28.8.2022 in Lübeck vor dem Holstentor. Entworfen und gebaut hat sie der Lichtkünstler Martin Streit7bbc6b9f842849399f8621c3bfd1aed3.

    Camera Obscuravon außen mit dem Lübecker Holstentor
    Dr. Dagmar Täube und Martin Streit vor der Camera Obscura, im Hintergrund das Holstentor von Lübeck

    Sie besteht aus zwei übereinander gestapelten Schiffscontainern, dazwischen führt eine Treppe zur Fotoplattform. Hier steht das Holstentor im dunklen Raum direkt vor der Besucherin, und zwar auf dem Kopf.

    in der Camera Obscura: Lübecker Holstentor auf einer Containerwand
    In der begehbaren Camera Obscura – Bild am Ende des Containers

    Wie funktioniert eine Camera Obscura?

    … je dunkler der Raum ist, umso klarer wird das Bild auf dem Tisch. Bei geschlossener Tür erkennen die erstaunten Besucher das Schloss gegenüber. Für Fotografen mit heutigen Kameras ein Aha-Erlebnis…
    weiterlesen → Camera Obscura in Marburg

    Lichtkammer oder Dunkelkammer?

    Das Holstentor in Lübeck steht nicht nur auf dem Kopf, es dreht sich um die eigene Achse. Möglich wird das mit Hilfe von zwei Schiffscontainern und einem winzigen Loch von 1-Euro-Größe, das mit einer Blende ein paar Millimeter größer oder kleiner verstellt werden kann. Dadurch überträgt sich das Holstentor – von verschwommen bis relativ scharf – in eine „Dunkle Kammer“ (Camera obscura) .
    Das Loch in der Wand ist der Brennpunkt. Die Abstände zwischen Holstentor und Loch im Container sind genau berechnet. Ebenso die Abstände zur Leinwand, auf der das Bild wiedergegeben wird. Es wirkt wie von Impressionisten gemalt.

    Holstentor macht Yoga

    Camera Obscura: Lübecker Holstentor mit Zuschauer
    Zuschauer in der Camera Obscura vor dem Bild des Holstentors

    Das Holstentor steht mannsgroß vor der Containerwand. Huch – was ist denn da passiert? Es steht auf dem Kopf und verwechselt auch noch rechts mit links. Die Leute laufen an der Decke entlang. Wäre vor dem Bild nicht die Silhouette eines Mannes, der vor mir steht, käme ich ins Grübeln.
    Yoga-Praktizierende hätten keine Probleme. Mit einem Kopfstand wäre ihre Welt wieder im Lot.

    Camera Obscura zum Mitnehmen

    Martin Streit mit der Camera Obscura im Kleinformat
    Martin Streit mit seiner handlichen Version der Camera Obscura

    Martin Streit hat noch einmal eine Camera Obscura im Miniformat gebaut – die handliche Version. Vorn ein Loch, hinten eine Digitalkamera.

    Martin Streit vor der Camera Obscura, Lübecker Holstentor
    Martin Streit vor der großen Camera Obscura, bereit zu einem Schnappschuss aus der Hüfte mit der Miniversion der Kamera

    Stellen Sie sich vor, sie schießen einen Schnappschuss aus der Hüfte. Das Loch in der Box halten Sie auf das Motiv und drücken auf den Fernauslöser der Digitalkamera. Dabei muss die Fotobox lichtdicht abgeschlossen sein, damit ein Bild erzeugt werden kann. Was dabei herauskommt, muss nicht unbedingt das sein, was Sie vor Augen hatten.

    Schönheit des Lübecker Sackbahnhofs

    Mit der Fotobox kann der Fotograf auf ein Motiv halten. Ob er es aber wirklich trifft, ist reine Glücksache. Das Bild, das die Kamera aufnimmt, ist es auch. Verschwommen, nebelig, mit einem eigentümlichen Reiz.

    Bild mit der kleinen Camera Obscura: Gleise im Lübecker Hauptbahnhof
    Ausstellung im St. Annen Museum: Lübecker Hauptbahnhof, mit der kleinen Camera Obscura fotografiert

    Lübecker Bahnhof im Nebel. Ich werde regelrecht in das Bild hineingezogen, sehe es vor meinem inneren Auge und kann es genau beschreiben. Strahlend hell die Ausfahrt, dunkle Gleise rechts und links führen in den Nebel hinein. Oberlichter wie eine Tüte voller Strahlen. Liefe vorn nicht ein Fahrgast im Nebel durchs Bild, wäre alles symmetrisch.
    Ein Zug kommt auf mich zu. Undeutlich, aber sehr realistisch löst er sich aus einem grauen Nebel heraus. Das zumindest hätte ich schwören können, bevor ich mir mein selbst geschossenes Foto angeschaut habe.
    Es muss wohl ein Geisterzug gewesen sein – na sowas!

    Mehr aus dem Museumsblog

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  • ☛ Triptychon in Lübeck: Heiligenbilder – echt menschlich

    ☛ Triptychon in Lübeck: Heiligenbilder – echt menschlich

    St. Annen Museum in Lübeck: Triptychon heißt das dreiflügelige Bild hinter dem Altar, das die Leiden Christi zeigt. Und zwar so, dass es auch diejenigen verstehen, die mit der Sprache Schwierigkeiten habenf669631b811e4dfdb1c3efdde3d96e93.

    Prachtvoller Triptychon mit den 12 Stationen des Kreuzweges

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Dr. Dagmat Täube vor dem  Altarbild mit den 12 Stationen des Kreuzweges

    Ein besonders prachtvoller, geschnitzter Triptychon stellt die 12 Stationen des Kreuzweges dar. Durch Frau Dr. Täubes Erklärungen wird er lebendig. Hätte sie es nicht verraten, wäre wohl kaum jemand darauf gekommen, dass das 11. und 12. Bild in der Reihenfolge vertauscht ist.

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Detail - Jesus am Kreuzweg will aussteigen

    Teilweise wirken die Darstellungen recht menschlich. Christus möchte am liebsten aussteigen, als die Soldaten mit Speeren und Dolchen hinter ihm her sind. Ein Bein hat er schon draußen. Aber wie jede weiß, die im Konfirmandenunterricht oder in der Vorbereitung zur heiligen Kommunion aufgepasst hat, packt er es nicht. Die Geschichte verläuft anders. Er wird ans Kreuz gebracht.

    Triptychon: Der Weg von der Party-Queen zur Büßerin und Beterin

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Dr. Dagmat Täube vor dem Altarbild mit der Heiligen mit den langen Haaren

    Nicht nur der Leidensweg Christi, auch die Läuterung – derjenigen, die später heilig gesprochen werden – sind im Triptychon verewigt. Bis zum Boden reichen die goldenen Haare einer Frau, die sich für längere Zeit in die Wüste zurückgezogen hat. Ihre Locken bedecken den ganzen Körper. Lediglich die Knie sind aufgescheuert vom Knien und Beten. Engel umschwirren sie.

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Detail aus dem Altarbild, die Heilige vor ihrer Läuterung

    Das war nicht immer so. Vorher führte sie ein ausschweifendes Leben in Saus und Braus, von einem Fest zum anderen. Diese Umkehr ist den Stiftern ein Triptychon wert.

    Triptychon und edle Spender

    So ein Triptychon ist aufwändig und teuer. Malerei oder Schnitzerei sind häufig mit echtem Blattgold dekoriert. Das stellt etwas dar. Für die reichen Kaufleute der Hanse ist die Stiftung eines Altarbildes einerseits eine Opfergabe. Sie erhoffen sich, durch diese Spende am Fegefeuer vorbei zu schlittern. Denn selbst einem ehrbaren Kaufmann kann im Laufe seines Lebens auch mal ein Ausrutscher passieren – wenn ein Geschäft gar zu günstig auf dem Wege liegt. Andererseits ist es eine Werbemaßnahme.

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Detail - Familie mit Kindern, Steckenpferd, Hähnchenkeule, Trinkgefäss, Weintraube

    An der Prachtentfaltung des Bildes können Kirchgänger den Reichtum des Stifters ersehen. Denn wer das Bild bestellt, wird dabei abgebildet, und zwar mit der ganzen Familie. Kleidung aus Goldbrokat, die Kinder mit Steckenpferd oder beim Abknabbern einer Hähnchenkeule oder der Trunk aus einem orientalischen Gefäß. Die Weintraube wie ein Zepter in der Hand des Hausherrn – eine im Mittelalter wohl seltene Frucht.

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Detail - Familie mit Mops

    Hunde spielen eine große Rolle. Der – von chinesischen Prinzessinnen geliebte – Mops als Schoßhündchen muss mit aufs Bild. Er macht sogar brav Männchen.

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Detail - Heilige Familie mit Dackel

    Der deutsche Dackel, auch bekannt unter dem Namen Wadenbeißer, verbeißt sich hier lediglich in den sorgfältig drapierten goldenen Umhang des Kindes.

    Triptychon: Auferstehung wie im Comic

    Triptychon in Lübeck im St. Annen Museum: Bild-Flügel - Auferstehung wie im Comic

    Der gemalte, dreiflügelige Altar ist mein ausgesprochener Liebling.
    Ein Felsengrab vor dem Hintergrund von Burgen und Bergen, die den Lübeckern zwar fremd, aber doch irgendwie bekannt vorkommen. Die in Tücher gewickelte Leiche wird unten in die Grabkammer getragen und schwebt als heiliger Geist aus dem Loch in der oberen Etage wieder raus.
    Auferstehung im Bild, ohne Worte – wie im heutigen Comic.

    Mehr aus dem Museumsblog

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  • ☛ GeschmacksSache – guter und schlechter Geschmack im Museum

    ☛ GeschmacksSache – guter und schlechter Geschmack im Museum

    „Vorbildliches Design“: Im Auftrag von König und Gewerbeverein kaufen vor 125 Jahren Fachleute alles auf, was sie für gutes Design, Handwerk, Technik halten5aa66caeb12143baa318217cc28ea103.

    Türkische Pantoffeln
    Paar Pantoffel, Türkei, Mitte 19. Jahrhundert, erworben auf der Weltausstellung in London 1851 © Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch

    Sie laden Handwerker, Fabrikanten und andere Produzenten ein, sich diese exemplarischen Stücke genau anzuschauen. Als Vorbilder dienen nicht nur heimische Produkte, sondern auch Werkstücke, die sie von den berühmten Weltausstellungen mitbrachten. Sie sollen als Vorbilder für guten Geschmack und zukunftsweisende Formen dienen.

    Urheberrecht und Kreativität

    Geistiges Eigentum war zu der Zeit kein Thema. Wahrscheinlich hätten sie sich vor Lachen gekugelt. Wer kann schon einen Geist besitzen. Die Gedanken sind frei.

    collier
    Collier, Bert Nienhuis (1873-1960), Haarlem/Niederlande, 1910 © Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch

    Somit waren die Schwaben die heißesten Anwärter für den Plagiarus, dem Negativpreis für Produktkopien.
    Oder auch nicht!
    Sie haben sich zwar alles genau angesehen, vielleicht auch vermessen oder gezeichnet, aber dann entwickelten sie dieses Anschauungsmaterial weiter. Aus Letzteren sind Kunsthandwerker, Tüftler und Ingenieure hervorgegangen, für die das Schwabenland bis heute berühmt ist.

    Vorbildliches Design: Geschmacksbildung fängt an beim Kinderspielzeug.

    Landesgewerbemuseum, Bericht über die Jahre 1932-1936, S. 12. / Ausstellung "Spielzeug" vor 1932, zu Zeiten von Gustav Pazaurek.
    Landesgewerbemuseum Stuttgart: Die Präsentation des Spielzeugs, vor 1932. Gezeigt wurden Spielzeug, Kinderbücher und auch Möbel für das Kinderzimmer, Landesgewerbemuseum, Bericht über die Jahre 1932-1936, S. 12 © Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch

    Diese Spielzeuge befinden sich hinter Glas. Interessierte Handwerker wie Schreiner und Drechsler können sie nicht in die Hand nehmen und von allen Seiten betrachten. Dann wären sie bald „ausgeliebt“ wie jedes normale Spielzeug in einer Familie. Als Neuigkeit kommt das mechanische Spielzeug hinzu, eine Anregung für Feinmechaniker, Kupferschmiede und Blechner. Alle sind darauf angewiesen, ein Stück möglichst genau zu zeichnen, mitsamt den ungefähren Maßen. Vielleicht ist das auch ein Glück, denn so verändert sich von Gestalter zu Gestalter die Sicht auf die Werke, je nach Arbeitsschwerpunkt und Kundenwünschen.

    Musterbücher zum Umblättern und Anfassen

    Musterbuch für Gewebe
    Musterbuch für Gewebe (Band 1 von 10 Bänden), angelegt von Karl Wilhelm Weigle (1788-1884), Ludwigsburg, ab 1844 © Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch

    Diesem zerfledderten Musterbuch sieht mensch an, dass es fleißig genutzt wird – umgeblättert, befühlt, verglichen. Die Seiten werden von Webern, Färbern, Stofffabrikanten umgeblättert, die Stoffe befühlt. So lernen die schwäbischen Handwerker neue Techniken kennen und entwickelten sie weiter. Mit anderen Worten – einfach für eigene Ideen genutzt, mal mit weniger, mal mit mehr Fantasie. Je teurer und kostbarer das Material, umso kreativer muss der Designer sein.
    Somit kommen die Schwaben weg vom Traditionellen hin zum Innovativen – die Geburtsstunde des schwäbischen Cleverle!!!

    Ganz nebenbei: So war es schon immer, auch und besonders in der Musik.

    Carl A. Pfeifferschen Sammlung im Kgl. Landesgewerbemuseum zu Stuttgart
    / Ein Teil der Carl A. Pfeifferschen Sammlung im Kgl. Landesgewerbemuseum zu Stuttgart, in: Denkschrift zum Fünzigjährigen Jubiläum der Hof-Pianofortefabrik von Carl A. Pfeiffer zu Stuttgart, 1862–1912, S. 56.

    Bach hat nicht nur ganze Partiturseiten von Vivaldi abgeschrieben, sondern eigene Werke mit unterschiedlichen Texten vielfach zweitverwertet. Wagner hat sich in den Meistersingern von Bach anregen lassen und Bruckner hat Zitate von Wagner als „Hommage“ in seine 3. Sinfonie hineingenommen. Rossini dagegen liebt es kommodiger. Er kopiert vorzugsweise sich selbst; aus Zeitgründen – angeblich.

    Kunsthandwerk damals und heute

    Achtung: Kunsthandwerk! 75 Jahre BdKJubiläumsausstellung im Haus der Wirtschaft, Stuttgart
    12. März bis 9. April 2022
    Dienstag bis Samstag 10-18 Uhr

    GeschmacksSache Vorbildliches Design um 1900
    Kabinettausstellung im Alten Schloss in Stuttgart | Landesmuseum
    18.11.2021 – 1.5.2022

    Noch mehr Kunsthandwerk

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  • Ausstellung: Das liebe ich an Kunsthandwerk / Handwerkskunst

    Ausstellung: Das liebe ich an Kunsthandwerk / Handwerkskunst

    Im Haus der Wirtschaft in Stuttgart stellen Kunsthandwerker aus, die sich zum BDK zusammengeschlossen haben. Ich liebe Kunsthandwerk, also nichts wie hin634e119375b44f92b1f92f2784a15e47.

    Besonders liebe ich Kunsthandwerk aus Naturmaterial

    Aus einem bestimmten Grund. Nur wer sich den Gesetzen der Natur unterwirft, kann mit Naturmaterial arbeiten. Egal ob Holz, Edelstein, Mineralien, Seide, Wolle, Papier, Ton oder Weidenruten. Wer meint, es geschehe anders herum, wird kläglich scheitern. Nur mit der Natur – nicht gegen sie.

    Dafür liebe ich das Kunsthandwerk.

    Jedes Stück ist ein einzigartiges Objekt, das durch handwerkliches Können erschaffen wird. Spuren der Hand sind auf dem Werkstück zu sehen. Bei einem Handwerker sitzt jeder Griff. Kein „Hab‘-zwar-was-völlig-anderes-gewollt-aber-sieht-doch-ganz-nett-aus“, sondern dutzendmal geübte Handgriffe, die im Schlaf sitzen. Wer den Dreh‘ raus hat, kann mit einfachen, aber wirkungsvollen Gestaltungselementen Gefäße formen, die gebrauchsfähig sind.
    Weitere Eigenarten finden sich an meinem Lieblingsstück der Ausstellung im Haus der Wirtschaft.

    Handwerkskunst in Form eines geflochtenen Korbes

    Das liebe ich an Kunsthandwerk / Handwerkskunst: Geflochtener Korb von Lore Wild
    Geflochtener großer Korb (c) Valérie Testu

    Dieser große Flechtkorb von Valérie Testu verfügt über eine schöne, vollendete Form – vollkommen ausgewogen. Die Flechtmeisterin kennt und beherrscht das Material – Weidenruten in verschiedenen Farbabstufungen.
    Der dunkle, mittlere Streifen teilt die beiden helleren Partien und ist gegenläufig geflochten. So entsteht die Illusion eines Zopfes. Der Korbrand schließt in einer anderen Farbe ab. Abschnitte der Ruten im Rand zeigen sich als farbige Gestaltungselemente – kleine Bojen zwischen den Wellen. So beeindrucken selbst abgeschnittene Staken als Schmuckelement.

    Oh ja, leider kommt ein kleiner Wermutstropfen in dieses perfekte Vorzeigeobjekt.
    Zum praktischen Gebrauch fehlen mir die Griffe, mit denen der Korb mitsamt dem Inhalt von A nach B, C, D bis Z transportiert werden kann.

    Kunsthandwerk damals und heute

    Achtung: Kunsthandwerk! 75 Jahre BdKJubiläumsausstellung im Haus der Wirtschaft, Stuttgart
    12. März bis 9. April 2022
    Dienstag bis Samstag 10-18 Uhr

    GeschmacksSache Vorbildliches Design um 1900
    Kabinettausstellung im Alten Schloss in Stuttgart | Landesmuseum
    18.11.2021 – 1.5.2022

    Noch mehr Kunsthandwerk

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  • Buchtipp: „☛ Altes Kupfer“- Essen, Kochen, Vorratshaltung

    Buchtipp: „☛ Altes Kupfer“- Essen, Kochen, Vorratshaltung

    Töpfe, Pfannen, Backformen – Gefäße aus Kupfer finden in der Küche Verwendung für die Zubereitung, Vorräte lagern und den Transport von Speisene160da92553d4041aa5c6a05c742944a. Ebenso viel Raum nehmen sie in dem Buch „Altes Kupfer“ ein.

    Altes Kupfer – praktisch, innovativ, ideenreich, pfiffig

    Wussten sie, dass es um 1900 schon einen Dampfkochtopf mit Überdruckventilen gegeben hat, und zwar aus Kupfer?
    Oder Pfännchen für die Jagd? Sie gehören zu den praktischen Utensilien, eignen sich auch heute für den Einsatz beim Camping – oder Überlebenstraining (Survivals ;-). Dank des fest verschließbaren Deckels können die Speisen ohne großen Verlust transportiert werden. Der hohle Stiel, in den ein Stock gesteckt werden kann, verhindert verkohlte Finger beim Braten am offenen Feuer.

    Altes Kupfer in der Gourmet-Küche

    Gourmet-Küche
    Gourmet-Küche (c) Cuprum-Verlag

    Während heute in die Küchen andere Töpfe mit anderen Materialien eingezogen sind, bewahren Großküchen noch stolz die Tradition der Kupfergefäße. Paul Bocuse, der Urvater der modernen französischen Küche, zeigt stolz seine kupfernen Pfannen, Backformen, Trichter, Siebschüsseln. Längliche Fischpfannen, mit Deckel und herausnehmbaren Sieb. Pfannen mit Halbkugeln, in denen – je nach Größe, entweder Schnecken, Spiegeleier oder Krapfen gebacken werden.
    Hier sind sie noch im Gebrauch, während sie in Schlossküchen nur noch als Ausstellungsstücke zu besichtigen sind. Kochgeräte und Backformen aus Kupfer galten als Statussymbol. Schlossküchen waren reichlich ausgestattet – wer mag sich nicht in so feinem Glanz sonnen?

    Altes Kupfer – Gugelhupf zum Sonntagskaffee

    Gugelhupf
    Gugelhupf (c) Cuprum-Verlag

    Der Stolz der Hausfrau – Kuchen in Form von Fischen, Blumen, Muscheln oder die berühmte Kugel mit dem Loch in der Mitte. Meist wurde der Gugelhupf schon am Samstag gebacken. Dann zog der süße Hefeduft durch das ganze Haus. Angeschnitten wurde er erst am Sonntag – das Highlight des Ausruhtages. Mehl, Eier, Milch, Fett – das Grundrezept war immer gleich. Die Extras kamen im Laufe des Jahres und an Festtagen hinzu. Wurde Besuch erwartet, wurde das Schmalz durch Butter ersetzt. Auch von den teuren Eiern kamen mal mehr und mal weniger hinein. Luxuriös waren Zutaten wie Rosinen oder Zitronat, die aber auch durch Backpflaumen oder Trockenbirnen ersetzt wurden – „so man hat“.

    Altes Kupfer – Henkelmänner für Kraftbolzen

    Henkelmänner
    Henkelmänner (c) Cuprum-Verlag

    Wer hart arbeitet, muss gut essen. Nach diesem Motto haben früher die Hausfrauen gekocht und die kraftspendende Stärkung ihren Männern aufs Feld gebracht – im Henkelmann. Mehrere Schüsseln mit der gleichen Maßen werden übereinander gestapelt und mit einem Verschluss versehen, der oben zu einem Henkel geformt wird. So können unterschiedliche Speisen transportiert werden, ohne dass sich das Fleisch mit dem Nachtisch vermischt.
    Bei den heutigen „Mittagessen zum Mitnehmen“, wie sie in Metzgereien, Bäckereien und Gasthäusern angeboten werden, könnten sie doch ratzfatz wieder in Mode kommen. Ein großes Plus: Henkelmänner lassen sich schonend im Dampf erwärmen.

    Gleich online bestellen:

    „Altes Kupfer“ von Rolf Arnold Müller
    ISBN: 978-3-033-08690-6
    Cuprum-Verlag

    Mehr über Metall

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  • Buchtipp: „Altes Kupfer“ von Hand geschmiedet – 2850 Bilder

    Buchtipp: „Altes Kupfer“ von Hand geschmiedet – 2850 Bilder

    Lebenswerk eines leidenschaftlichen Sammlers – Kupfer für die Küche, Landwirtschaft, Barbiere, Schnapsbrennerei, Bäcker, Chocolatiers, zum Jagen …e160da92553d4041aa5c6a05c742944a
    Handwerkskunst aus Kupferblech zum täglichen Gebrauch.

    Buch zur Kupfer-Sammlung „Müller von Flurlingen“.

    Unterschiedliche Gebrauchsgegenstände, die das enorme Spektrum des Materials Kupfer zeigen – besser gesagt, die handwerkliche und künstlerische Leistung der jeweiligen Kupferschmiede. Jedes Stück ist ein Unikat, denn – im Gegensatz zu anderen Metallen – kann Kupfer nicht in eine Form gegossen werden. Es kommt also bei jedem Werkstück auf das Können und die Geschicklichkeit des Kupferschmiedes an; und wahrscheinlich auch auf dessen Tagesform bei kniffligen Werkstücken.

    Ein Hoch auf die Kupferschmiedemeister

    Kupferschmiede (c) Cuprum-Verlag
    Kupferschmiede (c) Cuprum-Verlag

    War Kupferschmiedemeister früher ein häufiger Handwerksberuf, gibt es heute nur noch sehr wenige davon – zumindest in unseren Breiten. Es ist insofern schade, weil damit auch viel Wissen und Können verloren geht, das früher ganz selbstverständlich vom Meister zum Gesellen und zum Lehrling weiter gegeben wurde. Andere Materialien haben diesen Werkstoff in der Küche und am Arbeitsplatz abgelöst. Selbst wenn nicht mehr die ursprünglichen Formen, sondern neue Produkte aus Kupfer gefragt sind, sind diese über Generationen übertragenen Kniffe nicht mehr zu aktivieren – schade.

    Kupferschmiede als Museum

    Kupferschmiede Götz
    Kupferschmiede Götz (c) Cuprum-Verlag

    Kupferschmiede-Enkel Götz blickt auf eine lange Ahnenreihe an Kupferschmieden zurück. Im Laufe der Zeit wurden aus reinen Schmieden Ingenieure. Sein Großvater, der die Schmiede errichtete, war technisch äußerst kreativ. Er baute seiner Frau die erste Wasserleitung – in Kirchheim – von der Werkstatt in die Küche. Sein Vater, der nach seiner Pensionierung die Werkstatt zum Museum einrichtete, arbeitete als Ingenieur in der Luftfahrt. Noch im hohen Alte erklärte er den Besuchern die einzelnen Arbeitsschritte. Als er mich einst herumführte, war er bereits 92 Jahre alt.

    Was nützen die schönsten Handwerksstücke, wenn der Urheber nicht davon leben kann?

    Kupferschmied + Kupferschmiedin
    Kupferschmied + Kupferschmiedin (c) Cuprum-Verlag

    Wie immer im Leben gibt es Spitzenleute. Die einen sind gute Handwerker, die anderen Erfinder und wieder andere die besseren Geschäftsleute.
    Diese beiden Marketing-Fachkräfte bekommen ihre Waren sicherlich gut verkauft. Durch das metallische Geklapper sind sie unüberhörbar. Kupferwannen, die bei jeder Bewegung in der Sonne blinken, machen sie unübersehbar. Wenn sie jetzt auch noch die passenden Verkäufersprüche loslassen („Diese Pfanne gebrauche ich auch immer“; „Wer einmal einen Bottich bei uns gekauft hat, kauft immer wieder“ …), erleichtert sich die Körperware, während der Geldbeutel immer schwerer wird.

    Gleich online bestellen:

    „Altes Kupfer“ von Rolf Arnold Müller
    ISBN: 978-3-033-08690-6
    Cuprum-Verlag

    Seltene Berufe

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  • ☛  Museum der Alltagskultur – Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht

    ☛ Museum der Alltagskultur – Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht

    Geht doch! Erfindungen, Innovationen gelten als kreativ und versprechen Verbesserungen im Alltag. Teilweise lösen sie Probleme, die wir vorher nicht hatten.1284c36b7e3e4ddc9882fcdc3ccd9f8f
    Wer kennt nicht seinen Gerätefriedhof in der Küche?

    Erfindungen – nutzlos

    Kein Will-und-kann-nicht oder halb nützlich, sondern total nutzlos, also Kreativität pur. Genau so, wie Wissenschaftler an eine Sache herangehen.
    Nur ein unbedarfter Laie fragt sich, zu was das alles zu gebrauchen ist.

    Museum der Alltagskultur: Elektrisier-Automat
    „Geht doch! Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht“, Sonderausstellung im Museum der Alltagskultur:
    Elektrisier-Automat 1. Viertel 20. Jh. Museum der Alltagskultur, Waldenbuch
    © Landesmuseum Württemberg, Foto: Dirk Kittelberger

    Ein Paradebeispiel ist der Elektrisierapparat. Er sieht aus wie eine luxuriöse Puppenküche. Die Funktion ist mir nicht klar, deshalb würde ich die Erfindung als „Männerspielzeug“ abhaken. Gekauft von Vätern, die ihren Söhnen ein Spielzeug schenken, mit dem sie heimlich, still und leise ihren Spieltrieb befriedigen. Ähnlich wie die Modelleisenbahn, die Väter ihren 2-jährigen Söhnen bescheren.

    Erfindungen – Irrtümer

    Radioaktive Zahncreme "Doramad"
    „Geht doch! Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht“, Sonderausstellung im Museum der Alltagskultur:
    Schachtel: Radioaktive Zahncreme „Doramad“, 1930er-1950er Jahre
    Museum der Alltagskultur , Waldenbuch
    © Landesmuseum Württemberg, Foto: Dirk Kittelberger

    Nur zwei Jahrzehnte lang wurde die radioaktive Zahncreme verkauft, bleibt der Menschheit aber noch lange erhalten. Es kann durchaus sein, dass diejenigen, die sich damit die Zähne geputzt haben, noch aus dem Grab heraus strahlen. Die Halbwertszeit von Uran beträgt viereinhalb Millionen Jahre.

    Erfindungen – verkannt

    Tropfenfänger, einst unentbehrlich in (fast) jedem Haushalt, jetzt total verkannt.
    Lassen Sie mich raten. Wer dieses Utensil als nutzlos herausgesucht hat, ist männlich, Millennial und an Waschmaschinen und Geschirrspüler gewöhnt; so selbstverständlich, wie er sich unterwegs einen coffee-to-go im plastikbezogenen Pappbecher – mit Schnabeltassen-Aufsatz! – aus dem Automaten zieht.

    Museum der Alltagskultur: Zwei Tropfenfänger
    „Geht doch! Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht“, Sonderausstellung im Museum der Alltagskultur:
    Zwei Tropfenfänger 1950er-1980er Jahre Museum der Alltagskultur, Waldenbuch
    © Landesmuseum Württemberg, Foto: Dirk Kittelberger

    In den 50ern gibt es das kaum, dafür aber trielende Kaffeekannen mit knauflosen Deckeln – also Alltagsgeschirr mit normalen Gebrauchsspuren. Der Tropfenfänger wird über den verbleibenden Teil der ramponierten Tülle gestülpt, die Blume bildet die Mitte des Deckelknaufs (sofern vorhanden), der Haken am Gummiband wird straff am Henkel befestigt. Somit bleibt sowohl Kanne als auch Tischtuch tropfenfrei. Der Deckel wird beim Auskippen automatisch gehalten und fällt nicht mit den letzten Tropfen in das gute Service. Als besonders elegant gilt, wenn der Mittelfinger beim Gießen auf dem fehlenden Knauf ruht.
    Mit den aufkommenden Kaffeemaschinen verschwinden die Kaffeekannen und beenden die Ära der Tropfenfänger.

    Erfindungen – Prototyp

    Brille "Die 'Leuchtende Arbeitsbrille'", mit Verpackung
    „Geht doch! Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht“, Sonderausstellung im Museum der Alltagskultur:
    Brille „Die ‚Leuchtende Arbeitsbrille’“, mit Verpackung Mitte 20. Jahrhundert
    Museum der Alltagskultur, Waldenbuch
    © Landesmuseum Württemberg, Foto: Dirk Kittelberger

    Eine Aufsteckbrille mit Lämpchen an beiden Seiten, die über Kabel mit einer Batterie aufgeladen werden. Die Hände bleiben zum Arbeiten frei, da die Batterie einfach in die Tasche gesteckt werden kann.
    Ich denke an den alten Uhrmacher, den ich in meiner Kindheit verehrte, weil er vier Augen hatte. Und die gingen auch magisch an und aus. Mit winzigen Schraubenziehern und Zangen brachte er kleine Zahnräder mit einem Dreh zum Laufen. Ohne die Brille hätte er seinen Beruf wohl nicht mehr ausüben können.
    Bei meinem Zahnarzt habe ich vor ein paar Tagen etwas Ähnliches gesehen – direkt über meinem offenen Mund. Ich habe die Sache nicht weiter verfolgt, bin mir aber sicher, dass er keine Batterien im Kittel versteckt hatte.

    Lust auf mehr? Vom 23. September 2022 bis 11. Februar 2024 im Museum der Alltagskultur

    Auf einen Blick
    Was? Geht doch! Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht
    Wann? 23. September 2022 bis 11. Februar 2024
    Wo? Museum der Alltagskultur – Schloss Waldenbuch, Kirchgasse 3, 71111 Waldenbuch
    landesmuseum-stuttgart.de und museum-der-alltagskultur.de

    Noch mehr Kreativität

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  • ☛ Wie man ein Teeservice töpfert – Handwerkskunst!

    ☛ Wie man ein Teeservice töpfert – Handwerkskunst!

    Handwerkskunst Schritt für Schritt:e43ff75623d64857b587f53065c4c4c7 Scheinbar mühelos dreht die Keramikerin eine bauchige Teekanne. Sämtliche Arbeitsschritte, die vorher und danach nötig sind, zeigt Susanne Altzweig im empfehlenswerten Video HANDWERKSKUNST!
    Bewegungen und Griffe der einzelnen Arbeitsschritte von Handwerkern sind mit denen der Sportler, Tänzer oder Musiker vergleichbar. Ebenso wie diese heißt es üben, üben, üben, bis es nach außen ganz leicht aussieht.

    Handwerkskunst braucht Zeit

    Für das passende Teegeschirr braucht die Keramikerin sechs Tage, ohne die beiden Brände, die ebenfalls zwei Tage zum Abkühlen benötigen.
    Gerade hier wird deutlich, ob eine Handwerkerin „den Dreh‘ raushat“.

    Handwerkskunst! 
(c) SWR Keramikerin zentriert den Ton
    Handwerkskunst! (c) SWR Keramikerin zentriert den Ton

    Ist der Tonklumpen einmal auf der Drehscheibe, liegt alles in ihrer Hand. Sie hat lediglich die Möglichkeit, die Drehgeschwindigkeit einzustellen. Sofern der Ton genügend vorbereitet wurde, gelingt es schnell, den Batzen zu zentrieren. Nur wenn er genau in der Scheibenmitte läuft, kann es weitergehen.
    Aus dem Klumpen entsteht – scheinbar leicht wie von selbst – das Gefäß, das langsam einen dicken Bauch bekommt.
    Für die Teekanne dreht die Keramikerin eine oben offene Pyramide, die später die Tülle wird. Hinzu kommen Teller und Tassen. Jetzt heißt es warten, bis der Ton fest genug zum weiter verarbeiten ist.

    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, "Wie man ein Kaffeeservice töpfert". Keramikerin Susanne Altzweig. © SWR
    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, „Wie man ein Kaffeeservice töpfert“. Keramikerin Susanne Altzweig. © SWR

    Dann erst kann die Unterseite mit einer Drahtschlinge abgedreht werden. Dadurch erhalten die Werkstücke einen Fuß.
    Für die Tülle wird die Pyramide angepasst, bis sie die richtige Neigung zum Gießen einnimmt, und dann schräg abgeschnitten. Vorher wird ein Loch in die Teekanne geschnitten, sonst läuft kein Tee heraus.
    Angeklebt wird die Tülle mit einem Biokleber – einfach Ton mit Wasser vermanschen – das hält.

    Gezogener Henkel an Teekanne und Tasse

    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, "Wie man ein Kaffeeservice töpfert". Keramikerin Susanne Altzweig in der Werkstatt. © SWR
    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, „Wie man ein Kaffeeservice töpfert“. Keramikerin Susanne Altzweig in der Werkstatt. © SWR

    Viel Übung erfordert der Henkel. Mit einer Hand wird die Kanne gehalten, mit der anderen wird eine Tonrolle mit Hilfe von Tonschlicker oben an der Kanne festgeklebt. Die Keramikerin zieht diesen Tonstrang mit nassen Fingern immer dünner und länger, bis ein Band entsteht. Mit einem Schwung setzt sie ihn unten ans Gefäß, dass er die Form eines Ohres annimmt. Im gebrannten Zustand hält dieser Henkel eine Teekanne mit Inhalt aus. Puh, geschafft – aber nur halb.

    Glasur und farbenfreudige Malerei

    Noch fehlt die Dekoration, die jede Töpferin individuell gestaltet. Susanne Altzweig hat die traditionelle Engobetechnik für sich weiter entwickelt.
    Sie nutzt den Tonschlicker nicht nur zum Kleben, sondern auch zum Dekorieren. Mit Farbpigmenten vermischt, trägt sie mit Schwämmen den farbigen Ton auf das fertige Geschirr auf. Unter ihren Händen entstehen bunte Blumen auf einer grünen Wiese – auf jedem Gefäß ein anderer Wiesenausschnitt.

    Brand im Brennofen – erst Schrühbrand, dann Glattbrand

    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, "Wie man ein Kaffeeservice töpfert". Kaffeekanne nach dem ersten Brand. © SWR
    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, „Wie man ein Kaffeeservice töpfert“. Kaffeekanne nach dem ersten Brand. © SWR

    Sobald nach ein paar Tagen die Gefäße trocken sind, werden sie im Brennofen eingebaut und bei 900 Grad Celsius vorgebrannt. Der Ton ist zwar hart, aber noch nicht fest genug für den täglichen Gebrauch. Ungefähr so wie Ziegel.
    Die Gefäße werden glasiert und noch einmal im Ofen eingebaut. Die Glasur besteht aus einer fein gemahlenen Steinmasse, die so weit mit Wasser verdünnt ist, dass sie über die Keramik gegossen werden kann.
    Die Erden schmelzen bei einer Temperatur von 1200 Grad Celsius zu Glas und verbinden sich mit den Tongefäßen. Deshalb ist es wichtig, den Ofen ganz vorsichtig einzubauen, denn sobald die Gefäße sich berühren, kleben sie zusammen.
    Sobald der Ofen abgekühlt ist, kommt der große Moment: Susanne Altzweig öffnet die Ofentür und erblickt ihr farbenfreudiges, glänzendes Teegeschirr.

    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, "Wie man ein Kaffeeservice töpfert". Das Kaffeeservice ist fertig. © SWR
    SWR Fernsehen HANDWERKSKUNST!, „Wie man ein Kaffeeservice töpfert“. Das Kaffeeservice ist fertig. © SWR

    Sie kann den Lohn ihres Könnens mit Händen greifen – ein unvergleichliches Gefühl, das jeden Handwerker immer wieder beim Anblick eines gelungenen Werkstücks überkommt.

    Handwerkskunst – Keramikkunst!

    Video in der Mediathek
    Wer sich diese Arbeitsschritte noch einmal im Video anschauen möchte, besucht einfach die Mediathek → Wie man ein Kaffeeservice töpfert


    Mehr Keramikkunst

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  • ☛ Frankfurter Buchmesse 2021: Mini-Bibel bis Mega-Koran

    ☛ Frankfurter Buchmesse 2021: Mini-Bibel bis Mega-Koran

    Von winzig klein bis überdimensional groß reicht das Angebot von Büchern auf der diesjährigen Frankfurterb3724bd92cf140aa97516933e4adb6be Buchmesse 2021. Meisterstücke der Buchdruckerkunst.

    Frankfurter Buchmesse 21: Gutenbergmuseum in Aktion

    Frankfurter Buchmesse - Gutenberg

    Mit einem Publikum anlockenden Stand ist das Gutenbergmuseum vertreten.

    Frankfurter Buchmesse - Minibuch

    Das Museum punktet mit den wirklich allerkleinsten Büchern, die noch kleiner sind als ein 1-Cent-Stück. Mit einer (mitgelieferten) Lupe kann mensch die Schrift sogar lesen.
    Das heißt: Meisterstücke von mindestens drei unterschiedlichen Handwerksmeistern.

    • Die Buchstaben-Winzlinge mussten geformt und gegossen werden
    • Die einzelnen Seiten mussten gedruckt werden
    • Das Buch musste gebunden werden

    Buch im Streichholzschachtel-Format

    Frankfurter Buchmesse - kleines Buch mit Schuber

    „Erst einmal kleine Brötchen backen“ (bevor man sich an große Brote wagt). Dieser alte Handwerksspruch trifft nicht auf die Quäntchen-Bibel zu, denn das ist schon die hohe Schule der Handwerkskunst. Zu Übungszwecken könnte die Mini-Bibliothek der Klassiker – jedes Buch im Schuber – gedient haben. Erst wer es schafft, ein solches Buch zu drucken und zu binden, darf sich an kleinformatigere Bücher heranwagen.

    Bilderbuch im XXL-Format

    Frankfurter Buchmesse - Bilderbuch in Überbreite

    Die Edition Bracklo verlegt Kinderbücher aus aller Welt. Eines davon, ein japanisches mit vielen detailreichen Illustrationen, erscheint im Breitformat.
    Wenn es aufgeklappt ist, sehen die Kinder ein Mädchen, dessen Haare mit jeder Seite länger und länger wachsen.

    Frankfurter Buchmesse - Bilderbuch aufgeklappt

    Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon eine Erzieherin oder Großmutter oder Patentante mit vielen kleinen Leserinnen um das Buch herumsitzen.

    Frankfurter Buchmesse 2021: Bücher im Mega-Format

    Frankfurter Buchmesse - Megabuch

    In Leder gebundene religiöse Schrift, mit goldenen Buchstaben geprägt und mit einem Emblem versehen. Es ist das Auftragswerk eines gut betuchten türkischen Kunden, der sich etwas gönnen wollte. In Leder gebunden – das geht bei der Größe (fast) auf keine Kuhhaut.

    Faksimile im Großformat.

    Frankfurter Buchmesse - aufklappbares Riesenbuch

    Handwerkskunst pur in jeder Beziehung!
    Die Manufaktur nennt sich deshalb auch schlicht, einfach und bescheiden mega.com.

    Info der Frankfurter Buchmesse 2021

    Die Buchmesse ist geöffnet für Privatbesucher
    22. Oktober – 14.00 – 18.30 Uhr
    23. Oktober – 9.00 – 18.30  Uhr
    24. Oktober – 9.00 – 17.30 Uhr

    Das Wichtigste in Kürze:

    • nur Online-Tagestickets
    • begrenztes Tageskontingent
    • umfassendes Hygienekonzept

    Mehr von der Buchmesse

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