Kategorie: Bühnenbild und Kostüme

Kritiken, Beiträge, Rezensionen über Bühnenbilder, Theaterkostüme

  • ♫ Bayreuther Festspiele 2013: „Rheingold“ – Die Drei von der Tankstelle

    ♫ Bayreuther Festspiele 2013: „Rheingold“ – Die Drei von der Tankstelle

    Die Oper „Rheingold“ versetzt4707e678547944c0bd4c425a93f23bc2 Frank Castorf in seiner Inszenierung in den amerikanischen Westen. Keine Angst – nicht als Cowboys kommen sie daher. Sie leben an der Route 66 im „Golden Motel“, das seine besten Jahre schon hinter sich hat. 

    w.bayreuth.rheingold19.6.13 016Die Rheintöchter – Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau mit wunderbar leicht wiegendem Waggalaweia-Wellengesang – gekleidet wie Barsängerinnen, versuchen in der Ouvertüre, ihre Freizeit herumzubringen. Eine Rheintochter mit hausfraulichen Qualitäten nimmt die (Reiz)Wäsche von der Leine und kümmert sich um die Würstchen am Grill. Eine andere Rheintochter hält sich am Whiskyglas fest, die Flasche immer im Auge behaltend. Die Dritte liegt nur verklärt lächelnd im Campingstuhl. Alberich – Martin Winkler mit allen nur möglichen Schattierungen seiner Stimme – verhält sich so wie ein Stammgast, den die Rheintöchter nicht ernst nehmen, aber als eingespieltes Team foppen, wo es nur geht. Ihre Neckereien sind schon eingeübt, bis ihm endlich bei so viel Nichtbeachtung seiner Männlichkeit die Geduld ausgeht. Er schnappt sich die goldene Plane aus dem wolkenförmigen Plantschbecken, der Rheinpfütze.

    Wotan – Wolfgang Koch mit schlanker, warm tönender Stimme – verbringt seine Zeit in der ersten Etage im Bett mit Fricka – Claudia Mahnkes dunkel gefärbte Stimme verleiht dieser Rolle Autorität – und Freia – Elisabet Strid wandlungsfähig bis hin zu ängstlich/zart. Und jetzt kommt das Interessante. Über dem Motel, das mit der Drehbühne mal den geschwungenen Swimmingpool, die Terrasse oder die Tankstelle anzeigt, hängt eine Leinwand. Dort wird gezeigt, was sich im Inneren des Motels oder auf der Rückseite abspielt. Die Geschichte spielt sowohl drinnen wie draußen. Im Inneren des Motels sind Kameras angebracht. Somit ist den Zuschauern klar, was gleichzeitig passiert.

    Wenn bloß die Riesen nicht wären. Fasolt und Fafner – Günther Groissböck, Sorin Coliban mit gefährlich klingenden, schwarz gefärbten Bässen – im Monteurs-Blaumann, streichen bedrohlich am Mercedes mit den Ledersitzen entlang, während sie auf ihrem Lohn bestehen. Das zwingt Wotan zum Handeln. Drinnen verstecken sich Freia und Fricka hinter dem Fenster und lauschen der Verhandlung. Donner – Oleksandr Pushniak – fuchtelt ständig mit seiner Knarre herum. Das nützt nichts. Die Riesen ziehen mit der ängstlichen Freia ab

    Die Götter haben kein Geld. Mit Loge – komödiantischer Norbert Ernst mit heller Stimme, passend zum Feuergott – dem Kleinganoven mit dem Latino-Aussehen, zieht Wotan in die Welt auf den Hinterhof, wo sie Alberich vor einem Aluminium-Campingwagen finden.

    Mime – hervorragend Burkhard Ulrich mit seiner deutlich artikulierten Aussprache – in einem Anzug aus Goldpailetten (wie Frank Sinatra) läuft gehetzt zwischen Motel und Campingwagen hin und her, schafft die Goldbarren aus dem Motel und bringt sie in den Campingwagen, ohne sich eine Rast zu gönnen. Die Zuschauer verfolgen alles auf der großen Leinwand. Genau so erleben sie Alberichs Verwandlung, bei dem sich die meisten Ausstatter etwas Besonders einfallen lassen. Nicht real mit viel Technik, sondern im Film ringelt sich „der Wurm“als Giftschlange züngelnd über die Goldbarren. Anschließend hockt die Kröte etwas bedröppelt dazwischen. – ebenfalls auf der Leinwand.

    Urmutter Erda – Nadine Weissmann mit angenehm tiefem Alt, der unter die Haut geht – kommt als aufgedonnerte Nachtclubsängerin, mit der Wotan sofort anbandelt. Er kann’s nicht lassen. Die Riesen bringen die vollkommen verängstigte Freia mit – in einem Kostüm, das an Zwangsjacke oder Sado-Macho erinnert. Gut wird sie es bei den beiden Grobianen nicht gehabt haben. Um sie hinter dem Gold zu verstecken, wird die Matratze vom Bett gezerrt. Freia liegt auf dem Rost, während die Götter Goldbarren herbeischaffen. Ein Riese überwacht die Goldbarren drinnen, während der andere von draußen Befehle erteilt. Nachdem Fafner Fasolt erschlagen hat, zieht er mit dem Gold ab. Die Götter verteilen sich auf dem Flachdach des Motels.

    Kirill Petrenkos Dirigat zeichnet sich durch eine sehr genaue und durchdachte Lesart der Partitur aus. Kirill Petrenko legt großen Wert auf rhythmische Transparenz, die sich auch auf die Durchhörbarkeit im Klang der Partitur auswirkt.

     

    Besetzung 2013
    cover.8ung.wagnerMusikalische Leitung Kirill Petrenko
    Regie Frank Castorf
    Bühnenbild Aleksandar Denić
    Kostüme Adriana Braga Peretzki
    Licht Rainer Casper
    Video Andreas Deinert
    Jens Crull

    Wotan Wolfgang Koch
    Donner Oleksandr Pushniak
    Froh Lothar Odinius
    Loge Norbert Ernst
    Fricka Claudia Mahnke
    Freia Elisabet Strid
    Erda Nadine Weissmann
    Alberich Martin Winkler
    Mime Burkhard Ulrich
    Fasolt Günther Groissböck
    Fafner Sorin Coliban
    Woglinde Mirella Hagen
    Wellgunde Julia Rutigliano
    Floßhilde Okka von der Damerau

     

    Rheingold:
    Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/musik-theater/oper-kritik/rheingold/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`

     

    8ung Werbung:
    Was empfehlen Sie Opernfreunden?
    Diesen Platz halten wir frei für Ihr Angebot!

     

    Ring des Nibelungen:
    Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/ring-des-nibelungen/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`

  • ☛ „Der blaue Junge“ – 11. Stuttgarter Europa Theater Treffen (SETT 2012)  im Theater Tri-Bühne

    ☛ „Der blaue Junge“ – 11. Stuttgarter Europa Theater Treffen (SETT 2012) im Theater Tri-Bühne

    Die 08389bc71e7944d2955c161b11ff4b97irische Theatertruppe Brokentalkers aus Dublin thematisiert den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, der in Irlands katholischen Heimen fast ein ganzes Jahrhundert andauerte. Sie zeigen in einem einzigartigen Gefüge von Schauspiel, Rhythmik, Musik und Video die Auswirkungen von physischer und psychischer Gewalt auf die Kinder.

    Ein freundlicher Mittdreißiger (Gary Keegan) hält einen alten Zollstock in die Höhe, mit dem er früher als Kind gern spielte. Er klappt ihn zusammen und schaut wie durch einen Fernseher. Mit ein paar Handgriffen wird der Zollstock zum Pferd, Dinosaurier oder zur Posaune. Dieser Zollstock gehörte einmal seinem Großvater, einem Bestatter. Der maß damit die Leichen aus, um danach den Sarg zu fertigen. Wenn der Großvater von der nahe gelegenen Kinderverwahranstalt kam, war er tagelang deprimiert, erzählte aber nie, was genau er dort gesehen hatte.
    Und genau darum geht es in diesem Stück – dem irischen Trauma.
    Nach der Befreiung von den protestantischen Engländern wurde Irland 1921 zu einem katholischen Kirchenstaat. Zu den Moralvorstellungen gehörte es, dass Waisen und Kinder von minderjährigen und nicht ehelichen Müttern in derartigen Verwahranstalten aufgezogen wurden.

    Weiß geflieste Wände wie in einem Schlachthaus. (Bühnenbild und Kostüme Lucy Andrews und David Fagan). Kaltes Licht. Ein blanker Holztisch, dahinter eine harte Holzbank, auf der zwei menschliche Wesen sitzen. Sie sind austauschbar. Mal sitzen ein, mal zwei, mal mehrere Personen auf der Bank und vollführen rhythmische Bewegungen; mechanisch, ohne emotionale Regungen. Sie sind kaum voneinander zu unterscheiden. Graue Uniformen mit knielangen Hosen, graue Strickstrümpfe, derbe Stiefel. Ihre Frisuren kennzeichnen sie als Kinder, ohne ein Individuum preiszugeben. Keinerlei Regung ist bei diesen Kindern zu erkennen. Ihre Gesichter sind verklebt mit verknittertem Papier, aus dem Augen schauen. Sie laufen wie aufgezogene Marionetten, ohne menschliche Regungen. Sie sind austauschbar. Keine normalen Kinder. Sie rennen gegen die Wand, zeigen Hospitalismuserscheinungen.

    Während anderer Szenen werden alte Bilder ab den Dreißiger Jahren und Filmaufzeichnungen an die Wand projiziert. Man sieht eine Industrieproduktion mit riesigen Maschinen, aber im Verhältnis kleine Arbeiter mit Lederschürzen. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest – es sind Kinder!

    Seilspringen – für die meisten Kinder ein fröhliches Spiel – wird für sie zum Überlebenstraining. Mechanisch hüpfen sie hoch und springen zur Seite, um nicht vom Seil getroffen zu werden. Zwei Personen schlagen das Seil mit aller Kraft auf den Boden. Währenddessen erzählen ehemalige Heimzöglinge aus dem Off heraus ihre Geschichten. An der Wand kleben Wörter, mit welchen Gegenständen sie geschlagen wurden. Mit jedem Schlag des Seils vervollständigt sich die Aufzählung. Sie reicht von Lederriemen über Brennnessel bis hin zu Holzschuhen.

    Sie wurden als Arbeitskräfte und als Sexopfer missbraucht. Hinter grauen Mauern waren sie sadistischen Priestern total ausgeliefert. Sie konnten sich nicht wehren. Einer war dreimal bei der Polizei, die ihm nicht glaubte, ihn verprügelte und zurückschickte. Dort wurde er umso mehr geprügelt. Keiner glaubte den Missbrauchsopfern.
    Manche erzählen fast euphorisch von Glücksmomenten, die sie nach Jahrzehnten noch wiedergeben können. An häufigster Stelle wurde genannt, dass ihnen eine Prügelstrafe, mit der sie gerechnet hatten, erlassen wurde.
    Es wurde nicht nur gearbeitet. Am Sonntag wurden einige an die See gekarrt. Von drei Nonnen bewacht, saßen sie am Meer mit dem Blick aufs Wasser – stundenlang. Sie durften sich keinen Meter aus ihrem Rudel entfernen.

    Während all dieser Erzählungen spielen die Schauspieler Dylan Coburn Gray, Eddie Kay, Gary Keegan, Jessica Kennedy, Megan Kennedy, Stephen Lehan und Mary-Louise McCarthy mechanisch ihre Rollen. Sie werden unterstützt von der Musikerin Lucy Andrews, die mit ihrem klagenden Klarinettenton die Leiden der Kinder zum Ausdruck bringt. Rhythmische Trommelschläge zeigen die realen Schläge an, bei denen die Personen jeweils zusammenzucken.

    In diesem Stück spielt Gewalt und Missbrauch die zentrale Rolle. Angeklagt wird die katholische Kirche, die ihre Macht missbrauchte. Diese Inszenierung kommt ohne Gewaltszenen, Kopulationsszenen oder sonstigen Effekten-mit-dem-Vorschlaghammer aus. Sie lässt den Zuschauern Raum für ihre eigenen Erfahrungen. Die Bilder entstehen in ihren Köpfen und sind umso nachhaltiger. Eine beeindruckende Darstellung von gebrochenen Kinderseelen. Sie zeigen das Resultat – besser gesagt das Endprodukt – dieser Behandlung.
    Diese Inszenierung bleibt lange im Gedächtnis haften.

     

     

    Irland:

    Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/irland/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`
    11. Stuttgarter Europa Theater Treffen (SETT 2012) im Theater Tri-Bühne
    Der blaue Junge (The Blue Boy)
    von und mit Brokentalkers, Dublin

    FOTO Dan Keane
    In englischer Sprache, via Headsets simultanübersetzt
    Regie Feidlim Cannon | Gary Keegan
    Konzeption Feidlim Cannon | Gary Keegan

    Dauer 1 Stunde 20 Minuten

    Choreografie Eddie Kay
    Musik Séan Millar
    Video Kilian Waters
    Lichtgestaltung Sarah Jane Shiels
    Ton Jack Cawley
    Bühnenbild und Kostüme Lucy Andrews und David Fagan
    Produktion Marcus Costello
    Inspizienz Francis Fay
    Kostümassistenz Emma Downey
    Dokumentation Sinéad O’Loughlin und Daniel Keane

    Darsteller am 17.11.2012:
    Dylan Coburn Gray | Eddie Kay | Gary Keegan | Jessica Kennedy | Megan Kennedy | Stephen Lehan und Mary-Louise McCarthy
    Musikerin Lucy Andrews

     

  • ☛ Was ihr wollt – oder auch nicht – im WilhelmaTheater in Stuttgart

    ☛ Was ihr wollt – oder auch nicht – im WilhelmaTheater in Stuttgart

    Premiere am 20.10.2012 | Regisseur Samuel9457b30ae68941de88fbdb330ffa24f0 Weiss lässt das Stück im Schaustellermilieu spielen, etwas ungewöhnlich für eine Komödie von Shakespeare. Ralph Zeger gestaltet ein stimmungsvolles Bühnenbild mit Schiffschaukeln, die richtig hin- und herschwingen, wie auf dem Wasen. Gewagte Farbkombinationen und ebensolche Musterzusammenstellungen der glitzernden Kostüme, und besonders auch die gegeelten Frisuren, stimmen mit dem Erscheinungsbild der Wasenbeschicker überein.

     Lilith Häßle agiert nicht nur mit Worten, ihre Hände erzählen ganze Geschichten. Sie spielt die junge Frau, die gerade ihren Zwillingsbruder verloren hat und auf sich allein gestellt ist. Das Jahrmarktsfaktotum – eine flexible Marianne Jordan, die sowohl hilfsbereit als auch zynisch sein kann – nimmt die Gestrandete unter ihre Fittiche. Sie kleidet Viola als Mann ein, damit er/sie in dem rauen Milieu bessere Chancen hat. Danach kommentiert sie die Geschichte mit ihrem Cello und leitet damit von einer Szene zu den anderen über.

    Auf der Kirmes heuert Viola – als Mann verkleidet – bei einem Schausteller an, der sie als Bote für Schmachtbriefe an seine unerwiderte Liebe nutzt. Orsino (Andreas Ricci), Herr über die Schiffsschaukeln, ist unglücklich verliebt. Er schmettert sein Liebeslied aus den höchsten Höhen seiner Schaukel heraus, in Richtung seiner Liebsten – leider umsonst. In Viola/Cesario  sieht er den idealen Überbringer seiner Lustbotschaft für seine angebetete Olivia. Obwohl Viola sich sofort in diesen Mann verliebt, geht sie als Cesario zu der Frau, die in ihrer Nähe ein Fahrgeschäft betreibt.

    Schauspieler mögen gern unsympathische Typen darstellen. Unter diesem Aspekt ist das Stück gut gewählt. Zwei Alkoholiker haben es ebenfalls auf die kapriziöse Olivia abgesehen, aus egoistischen Gründen. Ihr Onkel Rülps (sehr authentisch Arlen Konietz als torkelnder Prolet mit schlüpfrigen Randbemerkungen), möchte Olivia heiraten, weil er sich mit ihrem Geld einen nie ausgehenden Flaschenvorrat erhofft. Sein Saufkumpan Bleichenwang (Julius Forster, als sein Bruder im minderbemittelten Geiste), der die Situation mit einigen Verzögerungen begreift, möchte endlich eine Frau heiraten. Seine Familie hat ihn auf Olivia angesetzt, leider aber die Gebrauchsanleitung für die Brautwerbung vergessen. Er probiert es mit einigen Minneliedern, die zwar beim Publikum gut ankommen, aber leider nicht bei Olivia. Dritte im Bunde ist Maria (Alrun Herbig), eine derbe Mitarbeiterin für alle Lebenslagen, die sich von niemandem unterkriegen lässt, schon gar nicht von Männern.

    Olivia (Robin la Baume), die hysterische Schaustellergräfin, kapselt sich von ihrer Umwelt ab. Sie lässt die Geschäfte von einem emsig bruddelnden und überall dazwischenfunkenden Hausmeister Malvolio (Daniel Friedl beherrscht als Komödiant die Bühne) erledigen. Olivia verliebt sich sofort in den Liebesboten Cesario, diesen kultivierten jungen Mann, der sich von den Personen in ihrer unmittelbaren Umgebung positiv abhebt. Kaum hat sie Cesario/Viola erblickt, kürt sie ihn zu ihrem Wunschkandidaten. Vergessen sind die Depressionen der Vergangenheit. Umso überkandidelter reagiert sie, als sie/er nicht sofort auf ihre eindeutigen Avancen eingeht.

    Malvolio grantelt vor sich hin, denn auch er ist verliebt in seine Chefin, mag es aber nicht so zeigen. Malvolio (Daniel Friedl), der Choleriker mit hochrotem Kopf und grauem Hausmeisterkittel, versteht überhaupt keinen Spaß. Dafür machen sich Rülps, Bleichenwang und Maria einen Spaß mit ihm. In einem Brief wird ihm vorgegaukelt, dass sich Olivia, die Frau seiner Sehnsucht, darüber freuen würde, wenn er im gelben Röckchen und mit gelben Strümpfen vor ihr tanzen würde. Er tut es – im gelben Tutu und gelben Kniestrümpfen, die kreuzweise schwarze Bänder zieren. Als er dann noch ein Lied zum Besten gibt, wird er prompt für verrückt erklärt.

    Rülps und Bleichenwang sahen ihre Felle schon fast davon schwimmen, nehmen jetzt aber Rache an Cesario, der/die sich gegen die plumpen Kerle kaum wehrt. Inzwischen taucht Sebastian, der tot geglaubte Bruder auf. Kaum ist er an Violas statt, verprügelt er die beiden – eine wendige Lilith Häßle, die wie eine Judosportlerin die beiden schachmatt setzt.

    Am Schluss versöhnen sich alle, holen ihre Musikinstrumente heraus und stimmen ein Lied an, mit Cello, Bandonium und Gitarre. Den Vogel schießt allerdings Daniel Friedel als Malvolio ab. Er kommt mit seinem gelben Petticoat, den gelben Strümpfen und spielt die Melodie solo – auf der Blockflöte! In memoriam Heinz Erhard.

     

    Soviel zu den spielfreudigen Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart in diesem Theaterstück im WilhelmaTheater. Es bleiben Irritationen, zum Beispiel:

    Warum entladen sich die Emotionen in Form von Brüllen? Sämtliche Figuren absolvieren mindestens eine Brüllarie.

    Die Fassung von Jan Bosse und Gabriella Bußacker irritiert – zumindest diejenigen, die bisher ohne Fäkaliensprache ausgekommen sind und Kraftausdrücke als Fremdsprache betrachten, aber keinesfalls als Bühnensprache. Möge diese Übersetzung in dem Umfeld bleiben, wohin sie sprachlich hineingehört.

    Wenn zu der Melodie des alten Kirchenliedes „Dona nobis pacem“ der Text „du Arsch, du Arsch, du altes Arschloch“ gesungen wird, könnte es in unseren Breiten noch als Geschmacklosigkeit durchgehen. Was wäre, wenn die Melodie aus einer anderen Religion stammen würde – vielleicht dem Islam?

    [vqr msg=“Was ihr wollt – oder auch nicht – im WilhelmaTheater in Stuttgart“ size=“100″/]

     

     

    Liebesgeständnisse: 

    Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/liebesgestaendnisse/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`

  • ♫ Parsifal in Bayreuth 2012 – allerletzte Vorstellung am 28. August

    ♫ Parsifal in Bayreuth 2012 – allerletzte Vorstellung am 28. August

    Wie reagiert das Festspielpublikum5a257128a5c843e79e3ce81d6569087b auf diesen Parsifal?
    Parsifal ist schon vom Thema Ritterromantik her eine reine Männeroper, vollendet von dem 69-jährigen Richard Wagner. Besonders die Herren gleichen Alters bekommen glänzende Augen, wenn sie ihre Begeisterung für diese Inszenierung von Stefan Herheim begründen: „… zeitgeschichtliche Zusammenhänge“, „… generationenübergreifend“, „… Kriege als Regulator schon seit Urzeiten“… Nicht erwähnt werden die eindeutig zweideutigen Szenen. Alle tun so, als hätten sie die nicht gesehen 😉

    w.regensburg.dom .2

    Männliche Besucher ab einem bestimmten Alter verbuchen diese Altherrenoper in dieser Altherreninszenierung als vollen Erfolg. Mann oh Mann.

    Parsifal in Bayreuth 2012 – was ist neu?

    Weitaus mehr Gewicht wird in der Parsifal-Inszenierung von Stefan Herheim im Jahr 2012 auf eine klarer strukturierte Lichtführung (Ulrich Niepel) gelegt. Die Sänger stehen im Lichtkegel, während die Nebenhandlungen etwas abgedunkelt sind. Selbst wenn das Auge abschweift, ist es leicht, wieder zum Hauptstrang zurückzufinden. Besonders die textlastigen Dialoge werden ohne Ablenkung deutlicher. Bis auf den Parsifal (Burkhard Fritz) sind die Sänger die gleichen (Amfortas – Detlef Roth, Titurel – Diógenes Randes, Gurnemanz – Kwangchul Youn, Klingsor – Thomas Jesatko, Kundry – Susan Maclean) – auf dem gleichen hohen Niveau wie im Parsifal 2011. Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Stark ausgeprägte religiöse Riten – Besinnung auf das Bühnenweihfestspiel?

    cover.8ung.wagner

    Religion wird besonders im ersten Akt sehr betont. Viele kleine Parsifale in Matrosenanzügen knien nieder und falten die Hände. Bemalte Säulen drehen sich vom großbürgerlichen Salon der Gründerzeit zur romanischen Kirche, in der sich die Gralszeremonie abspielt (Bühne Heike Scheele). Es wird viel gebetet in diesem Jahr, auch bei den Soldaten aus dem 1. Weltkrieg, die als Gralsritter – die Guten – in den Heiligen Krieg ziehen. Gestärkt durch die Zeremonie des Heiligen Grals. (Hat das was genützt?)

    Die Fußwaschung scheint gerade einem Tiziangemälde entsprungen zu sein. Parsifal mit langen, roten Haaren im Jesusgewand, Kundry in Kleidern der Maria. Mit ihren langen, roten Haaren trocknet sie Parsifals/Jesus‘ Füße.

    Klingsors Zaubergarten fällt durch die SS – Klingsors Ritter, die Bösen – in Schutt und Asche.
    Sie sprengen alles, einschließlich sich selbst, kaputt. Ausgerechnet ein Hitlerjunge wirft den Speer, den Parsifal nach einem Augenblickstotallichtausfall plötzlich in der Hand hält.

    Meine geliebten Blumenmädchen (Kostüme Gesine Völlm) haben sich nicht geändert.
    Sie vollführten immer noch auf dem Brunnenrand ihre Modenschau in Kostümen der Revuegirls der wilden Zwanzigerjahre. Deutlicher liegt der Fokus auf den Krankenschwestern in ihrer grauen Tracht, die sich jeweils an Parsifal herandrängen und die Nebenbuhlerinnen wegschubsen. Die einzelnen Methoden der Damen verführen zum Schmunzeln bis Glucksen.

    Richtig schön kitschig ist und bleibt der Karfreitagszauber – wie immer, wenn Emotionen im Spiel sind. Vorn an der Rampe leuchten Glühbirnen in Rot, Grün, Gelb, Orange – wie in einer Schießbude auf dem Jahrmarkt. Dafür scheint der Heilige Gral am Schluss blutrot, vorher Magenta(Telefonhäuschen)rosa.

    Inhalt / Handlung: Parsifal – Oper von Richard Wagner
    Parsifal in Bayreuth 2009 – Zeitenfahrt von der Villa Wahnfried zum Plenarsaal des Deutschen Bundestages
    Parsifal in Bayreuth 2009 im Matrosen-Anzügle – Klingsor in Strapsen – Kundry im Umziehstress
    Parsifal in Bayreuth 2010 – was ist neu?
    Blumenmädchen im Parsifal – Bayreuther Festspiele
    Parsifal in Bayreuth 2011 – Was ist neu?
    Parsifal in Bayreuth 2012 – allerletzte Vorstellung am 28. August
    Parsifal in Bayreuth – Schlingensief, Beuys und der Filz
    Parsifal – die Oper mit den Dehnungsfugen

    Parsifal von Richard WagnerBayreuther Festspiele 2012
    Musikalische Leitung – Philippe Jordan
    Regie – Stefan Herheim
    Bühnenbild – Heike Scheele
    Kostüme – Gesine Völlm
    Licht – Ulrich Niepel
    Video – Momme Hinrichs Torge Møller
    Dramaturgie – Alexander Meier-Dörzenbach
    Chorleitung – Eberhard Friedrich

     Besetzung 2012
    Amfortas – Detlef Roth
    Titurel  -Diógenes Randes
    Gurnemanz  – Kwangchul Youn
    Parsifal –  Burkhard Fritz
    Klingsor – Thomas Jesatko
    Kundry – Susan Maclean
    1. Gralsritter – Arnold Bezuyen
    2. Gralsritter  – Christian Tschelebiew
    1. Knappe – Julia Borchert
    2. Knappe  – Ulrike Helzel
    3. Knappe – Clemens Bieber
    4. Knappe – Willem Van der Heyden
    Klingsors Zaubermädchen – Julia Borchert
    Klingsors Zaubermädchen – Martina Rüping
    Klingsors Zaubermädchen – Carola Guber
    Klingsors Zaubermädchen – Christiane Kohl
    Klingsors Zaubermädchen – Jutta Maria Böhnert
    Klingsors Zaubermädchen – Ulrike Helzel
    Altsolo – Simone Schröder

     

    Werkstatt Bayreuth:

    In der von Wolfgang Wagner eingeführten “Werkstatt Bayreuth” nutzen die meisten Regisseure, so auch Stefan Herheim,  die folgenden Spielzeiten, um ihre Inszenierung weiter zu entwickeln. Wie ändert sich in diesem “Parsifal” die Inszenierung  und die  beachtenswerte Ausstattung von Bühne und Kostümen von 2009  im Laufe der Jahre nach  2010 über 2011 bis schließlich und endlich 2012?

    Parsifal oder Parzival:

    RSS-Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/parsifal`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`

    Cover Opernführer in Großdruck: Aida bis Zauberflöte von Dorle Knapp-Klatsch
    Aida bis Zauberflöte als Ebook

    Alcina bis Zauberflöte GROSSDRUCK
    Alcina bis Zauberflöte TASCHENBUCH

    Buchliebhaber?

    Bestellen Sie bitte
    diese und andere Bücher
    in meiner Lieblingsbuchhandlung:
    Autorenwelt-Shop – hier verdienen Autor*innen doppelt   

  • ♫ Tristan und Isolde in Bayreuth 2012 – allerletzte Vorstellung am 26. August

    ♫ Tristan und Isolde in Bayreuth 2012 – allerletzte Vorstellung am 26. August

    Als gutes c616476b3b614824bd4e3f931d4a735eStimmungsbarometer für eine Vorstellung entpuppen sich  Pausengespräche;  das gilt nicht nur die aktiven, sondern auch die passiven – mittels langer Ohren.

    w.tristanFazit: Diese Inszenierung ist Kult!!!
    Gelobt werden die „minimalistische Ausstattung“, „… endlich sind die Sänger gut zu hören“, „… müssen keinen Sport auf der Bühne treiben“, „… mit dieser Ausstattung geht es nur in eine Richtung, nämlich bergab“, „… deutlicher kann nicht gezeigt werden, dass Isolde als Königin ausgebootet ist“ …
    Mit anderen Worten: Tristan und Isolde mutierte im verflixten 7. Jahr zur Kult-Inszenierung der Intellektuellen.

    Auch 2012 ist in dieser Inszenierung alles beim Alten, nämlich ->trist –> trister —>Tristan

    Die Beleuchtung ist nach wie vor zu dunkel, wie die einnickenden und aufschreckenden Köpfe rings herum beweisen.
    Michelle Breed singt und spielt wieder die lebenspraktische Brangäne. Mit ihrem Spiel bringt sie etwas Leben in die extrem statische Inszenierung. Sie verteidigt ihre Herrin gegen den spottenden Kurneval, sie hört Isolde zu und beruhigt sie. Sie räumt den Salon auf, kleidet Isolde ein, die nach ihrem Liebestrank nur apathisch lächelnd daneben steht.

    Langsam begreife ich diese entschleunigte Inszenierung. Tristan und Isolde stehen unter Drogen – sie sind vollgetankt, nicht fähig, etwas füreinander zu empfinden. Also müssen sie sich auch nicht anschauen. Warum bin ich nicht ein paar Jahre früher drauf gekommen?

    Ansonsten gilt 2012 gilt das Gleiche wie 2011:

    Was hat sich in dieser Oper .in den letzten Jahren geändert? Nix & Nuscht! Das Erfreuliche daran bleibt erhalten. Das hohe musikalische Bayreuth-Niveau der Sänger ist gleich geblieben. Ebenso das Festspielorchester unter der Leitung von Peter Schneider. Siehe-> Tristan und Isolde: Sänger, Dirigent, Orchester auf höchstem Niveau
    Die Interaktion der Sänger untereinander ist gleich geblieben. Siehe-> Tristan und Isolde als öffentliche Oper für alle

    Wie zum Beispiel Robert Dean Smith mit voller Stimme und der Beweglichkeit eines Oratoriensängers. Einmal hebt er den rechten Arm, nach langer Pause den linken Arm. Im Liebesduett steht er an der Rampe, ohne auch nur eine Blick auf seine geliebte und entbehrte Isolde (Irene Theorin) zu werfen. Nebeneinander ins Publikum blickend sitzen sie auf den Designerhockern im Garten, den Anna Viehbrock als leeren Raum – bis auf besagte Designerhocker – gestaltet hat.
    Kostüme und Bühnenbild sind gleich geblieben. Wahrscheinlich aus der Erkenntnis heraus, dass es hier nichts zu verbessern gibt. Siehe  -> Tristan und Isolde: Nussbaumfurnier und Faltenrock
    Eines brachte mich zum Grübeln. Warum stieren alle Sänger und die paar Statisten so ausgiebig die Wände an? Warum schleichen sie tastend an den Mauern entlang? Begutachten sie das Wachstum der Schimmelpilze, die den Zuschauern ab der dritten Reihe verborgen bleiben? Hat es etwa einen tieferen Sinn? Wie die Rüstung aus Filz in Schlingensiefs Parsifal, die an Beuys erinnern soll? Folgen diese Bewegungen den Strukturen des Mauerputzes? Ein typisches Verhalten von Autisten – die Rücken zum Publikum sprechen dafür.
    Siehe -> Der Hungerkünstler von Georg Elterlein
    Um das herauszufinden, werden Festspielbesucher in den kommenden Jahren noch Gelegenheit haben. Es hat nichts damit zu tun, dass die Inszenierung so gut angenommen wurde und deshalb immer wieder gewünscht wird. Der Grund ist weitaus pragmatischer. In den nächsten Jahren spielen Opern mit großer Chorbesetzung – Tannhäuser, Parsifal, Holländer und 2013 eine Neuinszenierung des Ringes. Die Chorsänger brauchen dazwischen ihre Ruhezeiten – deshalb Tristan und Isolde.
    Also …dem hervorragenden Festspielchor zuliebe.

    Inhalt / Handlung: Tristan und Isolde von Richard Wagner
    Tristan und Isolde in Bayreuth 2009: Sänger, Dirigent, Orchester auf höchstem Niveau
    Tristan und Isolde als öffentliche Oper für alle
    Tristan und Isolde – umsonst und draußen
    Tristan und Isolde: Nussbaumfurnier und Faltenrock
    Tristan und Isolde in Bayreuth 2012 – allerletzte Vorstellung am 26. August


    Tristan und Isolde
    , Oper mit Musik und Libretto von Richard Wagner
    Aufführung der 100. Bayreuther Festspiele 2011

    Besetzung 2011:
    Musikalische Leitung – Peter Schneider
    Regie – Christoph Marthaler
    Szenische Leitung der Wiederaufnahme – Anna-Sophie Mahler
    Bühnenbild – Anna Viebrock
    Kostüme – Anna Viebrock
    Chorleitung – Eberhard Friedrich
    Dramaturgie – Malte Ubenauf

    Tristan – Robert Dean Smith
    Marke – Robert Holl
    Isolde – Iréne Theorin
    Kurwenal – Jukka Rasilainen
    Melot – Ralf Lukas
    Brangäne – Michelle Breedt
    Junger Seemann – Clemens Bieber
    Ein Hirt – Arnold Bezuyen
    Ein Steuermann – Martin Snell

    Werkstatt Bayreuth:

    In der von Wolfgang Wagner eingeführten “Werkstatt Bayreuth” nutzen die meisten Regisseure (außer Christoph Marthaler) die folgenden Spielzeiten, um ihre Inszenierung zu verändern. Wie ändert sich “Tristan und Isolde” in der Inszenierung von Christoph Marthaler mit  Bühne und Kostüme von 2009,  im Laufe der Jahre 2010 und  2011/2012?

    Tristan und Isolde:
    Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/tristan-und-isolde/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`


    Tristan und Isolde
    , Oper mit Musik und Libretto von Richard Wagner
    Aufführung der 100. Bayreuther Festspiele 2011

    Besetzung 2011:
    Musikalische Leitung – Peter Schneider
    Regie – Christoph Marthaler
    Szenische Leitung der Wiederaufnahme – Anna-Sophie Mahler
    Bühnenbild – Anna Viebrock
    Kostüme – Anna Viebrock
    Chorleitung – Eberhard Friedrich
    Dramaturgie – Malte Ubenauf

    Tristan – Robert Dean Smith
    Marke – Robert Holl
    Isolde – Iréne Theorin
    Kurwenal – Jukka Rasilainen
    Melot – Ralf Lukas
    Brangäne – Michelle Breedt
    Junger Seemann – Clemens Bieber
    Ein Hirt – Arnold Bezuyen
    Ein Steuermann – Martin Snell

  • ♫ Der Fliegende Holländer in Bayreuth 2012 – Inszenierung, Bühne und Kostüme

    ♫ Der Fliegende Holländer in Bayreuth 2012 – Inszenierung, Bühne und Kostüme

    w.hollaender.bay

    Rückblick auf die erste Festspielzeit 2012 mit dieser Inszenierung: Wie kommt sie beim Publikum an?
    Die Hauptgespräche drehten sich um den „Holländer“ Samuel Youn, der kurzfristig für Evgeny Nikitin einsprang – buchstäblich über Nacht. So, wie die Sache in den Medien verbreitet wurde, konnte Samuel Youn nur verrissen oder hochgelobt werden. Glücklicherweise Letzteres; er hat es verdient.

    Der Fliegende Holländer 2012 – Inszenierung, Bühne, Kostüme, Musiker

    cbff176f0b3040eca0a6891cf6572480Mit einer neuen Inszenierung (Regie: Jan Philipp Gloger) der Oper „Der Fliegende Holländer“ von Richard Wagner starten die Bayreuther Festspiele 2012. Als unauslöschlicher Trojaner irrt der „Holländer“ durch das Datenmeer.

    Inszenierung, Bühne und Kostüme

    Bühnenhohes Gestänge, durch das Lichter flitzen wie durch eine Datenautobahn. (Bühnenbild: Christof Hetzer) Zahlentafeln rattern neue Ergebnisse, passend zum Einsatz des Orchesters. Der Holländer kommt als schädlicher Trojaner, getarnt als Geschäftsmann im dunklen Anzug. Rastlos hat er sich immer weiter fortgepflanzt, fremde Rechner infiziert und dabei gut verdient. Anscheinend hat er genug und möchte endlich unschädlich gemacht werden. Dalands Vertrauen erkauft er sich mit einem Rollkoffer voller Geld und Aktien.

    Die Spinnstube gleicht einer Verpackungshalle für Ventilatoren – passt gut zu der surrenden Melodie. Strahlend wie in einem Werbespot reichen sich die Packerinnen in ägyptischblauen Arbeitsanzügen (Kostüme von Karin Jud) die Ventilatoren zu, geben sie mit einem neckischen Knicks weiter an die nächste Packerin, die das Produkt verstaut. Eine weitere schließt das Versandpaket und reicht es der nächsten, die es links von der Bühne hinausträgt und rechts wieder als Ventilator der ersten Packerin reicht. Ein ewiges, emsiges Kommen und Gehen.

    Lediglich Senta thront auf einem Berg Kartons inmitten großflächiger Pappkulissen, wie sie in Computerspielen vorkommen. Von Pappe sind das blutige Schiff und das blutige Playmobil-Männchen. Obwohl der Holländer keine Ähnlichkeit mit ihrem Spielmännchen aufweist, erkennt Senta ihn sofort als ihren Traummann.

    Erik kommt als Techniker daher und möchte seine Senta von ihrem kindischen Spiel abbringen. Er liebt sie trotz ihrer Spielsucht. Statt Matrosen feiern Jungmanager ihre Produktionsziele mit Sekt, den die Assistentinnen Ihnen servieren. Derartig siegesgelaunt provozieren sie die Mannschaft des Holländers und stecken gleich eine Niederlage ein. Das Heer der aufgewachten Geistertrojaner brennt ihre Flagge ab, unterwandert sie und verbreitet Angst und Schrecken.

    Als der Holländer in den Spielkulissen zu verschwinden droht, erklimmt Senta den Berg aufgestapelter Pappkartons. Gemeinsam setzen sie ihrem Leben ein blutiges Ende, mit einer Blutlache wie im virtuellen Spiel. Die Manager nehmen es sportlich, denn schon erwächst daraus eine neue Idee. Nach der „Erlösung“ geht der Vorhang noch einmal auf und die Packerinnen reichen sich gegenseitig ein neues Produkt zu: Senta und Holländer, eng umschlungenen als Kitschfiguren in Gartenzwergmanier.

    Frisch, jung und neu ist die Idee zu dieser Inszenierung, und total passend.

    Hervorragend singen und spielen die Sänger des Festspielchors unter der Leitung von Eberhard Friedrich. Sie bringen Bewegung ins Spiel, während die Hauptdarsteller sich in dieser szenisch unterbordenden Inszenierung von Jan Philipp Gloger in vornehmer Zurückhaltung üben. Dafür sind sie musikalisch auf (Bayreuth)Niveau.

    Samuel Youn besticht als Holländer mit seiner klaren, deutlichen Aussprache. Adrianne Pieczonka als Senta verkörpert mit ihrem kräftigem, dramatischen Sopran eine Frau, die sich gegen ihre Umwelt durchsetzen kann. Franz-Josef Selig gestaltet seine Rolle als Daland mit sonorer, fülliger Stimme. Benjamin Bruns‚ helle, reine Stimme klingt fast verträumt – ist er doch als Steuermann gerade aufgewacht und schon wieder müde. Christa Mayer verleiht der Abteilungsleiterin Frau Mary eine dunkle, zur Rolle passende Stimme. Michael König gibt mit seiner Stimme dem Verlierer Erik die nötige Dramatik.

    Das hervorragende Bayreuther Festspielorchester unter dem energischen Dirigat von Christian Thielemann klingt äußerst präzise und erfrischend.


     Der Fliegende Holländer – „Romantische Oper in drei Aufzügen“ mit Musik und Libretto von Richard WagnerBayreuther Festspiele

    Besetzung 2012
    Musikalische Leitung – Christian Thielemann
    Regie – Jan Philipp Gloger
    Bühnenbild – Christof Hetzer
    Kostüme – Karin Jud
    Licht – Urs Schönebaum
    Video – Martin Eidenberger
    Dramaturgie – Sophie Becker
    Chorleitung – Eberhard Friedrich

    Holländer – Samuel Youn
    Senta – Adrianne Pieczonka
    Daland – Franz-Josef Selig
    Erik – Michael König
    Frau Mary – Christa Mayer
    Steuermann – Benjamin Bruns

    :

    RSS-Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/der-fliegende-hollaender/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`
  • ♫ Tristan und Isolde: Nussbaumfurnier und Faltenrock

    Bühnenbild und Kostüme der Oper “Tristan und Isoldec616476b3b614824bd4e3f931d4a735e von Richard WagnerBayreuther Festspiele  2005 bis 2011

    …wie immer bei Anna Viebrock – trist, trister, Tristesse.

    w.026festspielhaus

    Ein großer Raum, fast ein Saal, vielleicht in einem schottischen Castle. Das Steuerrad deutet eher auf einen gediegenen Luxusdampfer hin. Zwischen braunen Wänden in typischer Nussbaumfurnier-Verkleidung stehen Tische mit Wirtshausstühlen herum, anscheinend nur, um immer wieder von Isolde umgestoßen und von Brangäne aufgehoben zu werden.

    Neben den Klappstühlen glucken einzelne Ohrensessel, die aussehen wie schon-öfters-bezogen-und-schon-wieder-fällig-zum-Beziehen. Natürlich mit dem Möbelstoff, wie er vor vierzig Jahren topaktuell war. Kein Wunder, denn die Bühnenbildnerin Anna Viebrock ist in dieser Zeit stehen geblieben. Sie bewegt sich weder vorwärts noch rückwärts.

    Das gilt auch für die Kostüme.

    Anna Viebrock scheint aus dieser Zeit ein Heft mit Burda-Schnitten zu besitzen, aus dem sie sämtliche Bühnenkleidung fertigt. Im ersten Akt, auf der Schiffsüberfahrt, sind es für Isolde und Brangäne „Kaminkleider“, die damals groß in Mode waren. Normalerweise endeten die Röcke unter dem Knie. Kaminkleider dagegen waren lang, aber nicht so elegant wie Abendkleider, sondern eher aus Wolle oder einem warmen Stoff, in den man sich einkuscheln konnte. Kurvenal hüllt sich in einen Schottenrock, ebenso wie Brangäne. Ihr Rock ist lang, sein Rock dagegen kurz.
    Im „Garten“ trägt Isolde () ein gelbes Kostüm mit einer großen Schleife unter der Brust – ganz Dame. Brangäne () kleidet eine blaugrüne Jacke und Faltenrock – Zeichen für die gut angezogene Sekretärin. Tristan (Robert Dean Smith) tritt auf in der blauer Jacke seines Yachtclubs, mit passendem Abzeichen an der Brusttasche.

    Während andere Bühnen- und Kostümbildner ihre Fantasie ankurbeln, sich durch Opernstoffe, Musik oder Schauplätze anregen lassen, stülpt Anna Viebrock ihre Schlimmer-Wohnen-Vision über jede Handlung, egal in welchem Jahrhundert, Jahrtausend, Land oder Milieu die Oper spielt. Dieses Einheitsinterieur hat zu allem zu passen.
    Ein Beispiel dafür, wie weit es jemand mit sparsamer Fantasie und einfallsarmen Wiederholungen bringen kann.

    Tristan und Isolde:

    RSS-Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/tristan-und-isolde/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`
  • ✿ Bayreuth schwelgt in seiner 5. Jahreszeit

    ✿ Bayreuth schwelgt in seiner 5. Jahreszeit

    ef9958c117eb46a99687a1648818fac8w.walkuere.kostuemRichard Wagner Festspiele, Festival junger Künstler, überbordender Blumenschmuck, Kulissen auf dem Marktplatz, Straßenmusiker auf hohem Niveau, Schaufensterdekorationen im Wagnerrausch – das alles bietet Bayreuth in seiner 5. Jahreszeit.

    Die Bayreuther Festspiele strahlen in verschiedene Richtungen. Während der Festspielzeit 2011 lösen die Bühnentechniker ihre Platzprobleme auf eine soziale und werbewirksame Weise. Sie lagern Kulissen, Kostüme und Requisiten aus, die in diesem Jahr nicht gebraucht werden – auf den Bayreuther Marktplatz. Die Kostüme der Walküren halten sich erhöht, aber gut sichtbar, in der Maxpassage auf. (mehr …)

  • ♫ Parsifal in Bayreuth – Schlingensief, Beuys und der Filz

    ♫ Parsifal in Bayreuth – Schlingensief, Beuys und der Filz

    Die langen Pausen bei den Bayreuther5a257128a5c843e79e3ce81d6569087b Festspielen können äußerst ergiebig sein. So erfuhr ich vom damaligen Parsifal-Darsteller, dass Schlingensief sich weitaus mehr bei seiner Inszenierung gedacht hat, als bei den Zuschauern angekommen konnte. Der Parsifal war Schlingensiefs Hommage an Fluxus und Beuys.

    w.parsifal.schlingensief1Es gab zwei unterschiedliche Speere, die wohl an die Wiener Performance  „Eurasienstab“ erinnern sollten. Alles andere war aus Filz. Selbst die ganze Ritterrüstung des Parsifal bestand aus braunem Filz. (mehr …)

  • ♫ Parsifal in Bayreuth 2011 – betende Hände bei (fast) jeder Gelegenheit

    ♫ Parsifal in Bayreuth 2011 – betende Hände bei (fast) jeder Gelegenheit

    Die Besetzung im Parsifal5a257128a5c843e79e3ce81d6569087b in der Inszenierung von Stefan Herheim ist identisch mit der von 2010 – das hohe musikalische Niveau ebenfalls. Musikalisch gibt es kaum Unterschiede, dafür aber optisch.
    Verändert hat sich im Bühnenbild (Heike Scheele) die Architektur des Hauses. Es sieht nicht mehr nach der Villa Wahnfried aus, sondern nach einer hochherrschaftlichen Villa der Gründerzeit – einer Gralsburg des beginnenden Industriezeitalters.

    w.parsifal2011

    In diesem Jahr wird mehr Wert auf die religiöse Ausrichtung des Parsifals gelegt – so wie Richard Wagner es vorgesehen hatte. Häufig sieht man betende Hände.

    Eine weitaus größere Rolle spielt der kleine Parsifal. Als schätzungsweise 10-jähriger Knirps geistert er in seinem Matrosenanzug durch die Zeiten. Im zweiten Akt steigt er sogar als Hitlerjunge aus dem Brunnen. Der erwachsene Parsifal (Simon O’Neill) steckt ebenfalls in einem Matrosenanzug mit kurzen Hosen. Neckisch – bei der Figur. Außer Parsifal sind die Sänger die gleichen wie im „Parsifal“ 2010: Amfortas – Detlef Roth, Titurel – Diógenes Randes, Gurnemanz – Kwangchul Youn,  Klingsor – Thomas Jesatko, Kundry – Susan Maclean.

    cover.8ung.wagnerSchön wie eh und je sind und bleiben die Blumenmädchen. Die fantasievollen Kostüme von Gesine Völlm suchen ihresgleichen. Passend dazwischen die graue Schwesterntracht. Dadurch wirken sie besser. Ein Augenschmaus.
    Dafür sind die Sexszenen deutlich dezenter – mit einem kleinen Kunstgriff. Die Sänger werden voll angestrahlt und stehen im Licht, die kopulierenden Paare agieren außerhalb des Lichtkegels. Der Blick wird nicht zwingend darauf gelenkt, sondern die Zuschauer entscheiden selbst, was Ihnen angenehm ist. Wer nicht will, muss sich keine Obszönitäten anschauen. Wer mag, hat auch im Halbdunkel seine Freude. Für echte Voyeure ist das wohl auch schöner, da authentischer.

    Angenehm gestaltet sich die Lichtführung. Die Bonbonfarben sind (fast) verschwunden. Selbst im letzten Akt erscheint die Jahrmarktsbuden-Beleuchtung relativ kurz. Ebenso wird nur der Gral – nicht mehr der ganze Bundestag einschließlich Abgeordneten – und sein kreisrundes Umfeld in Telefonhäuschen-Magentarot getaucht.

    Parsifal, Oper mit Musik und Libretto von Richard Wagner
    Aufführung der 100. Bayreuther Festspiele 2011

    Besetzung 2011:
    Musikalische Leitung – Daniele Gatti
    Regie – Stefan Herheim
    Bühnenbild – Heike Scheele
    Kostüme – Gesine Völlm
    Dramaturgie –  Alexander Meier-Dörzenbach
    Video – Momme Hinrichs, Torge Møller
    Chorleitung – Eberhard Friedrich

    Amfortas – Detlef Roth
    Titurel – Diógenes Randes
    Gurnemanz – Kwangchul Youn
    Parsifal – Simon O’Neill
    Klingsor – Thomas Jesatko
    Kundry – Susan Maclean
    1. Gralsritter – Arnold Bezuyen
    2. Gralsritter – Friedemann Röhlig
    1. Knappe – Julia Borchert
    2. Knappe – Ulrike Helzel
    3. Knappe – Clemens Bieber
    4. Knappe – Willem Van der Heyden
    Klingsors Zaubermädchen – Julia Borchert
    lingsors Zaubermädchen- Martina Rüping
    Klingsors Zaubermädchen – Carola Guber
    Klingsors Zaubermädchen – Christiane Kohl
    Klingsors Zaubermädchen – Jutta Maria Böhnert
    Klingsors Zaubermädchen – Ulrike Helzel
    Altsolo – Simone Schröder

    Werkstatt Bayreuth:

    In der von Wolfgang Wagner eingeführten “Werkstatt Bayreuth” nutzen die meisten Regisseure, so auch Stefan Herheim,  die folgenden Spielzeiten, um ihre Inszenierung zu verändern. Wie ändert sich in diesem “Parsifal” die Inszenierung  und die  beachtenswerte Ausstattung von Bühne und Kostümen von 2009  im Laufe der Jahre nach  2010 über 2011 bis schließlich und endlich 2012?

    Parsifal oder Parzival:
    Fehler: A feed could not be found at `https://www.8ung.info/tag/parsifal/feed/`; the status code is `403` and content-type is `text/html; charset=iso-8859-1`